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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Hunden begleitet. Haben die Jagdvögel ihr Wild erreicht, so hacken sie mit den Schnäbeln auf dasselbe los und halten es fest, bis die Hunde herangekommen sind. Unsere Abbildung zeigt einen Jäger zu Roß, der einen Falken auf seiner mit Fuchspelzhandschuhen geschützten Faust führt und von russischen Wolfshunden begleitet wird.

An solchen Vergnügen beteiligen sich die Kirgisenfrauen nicht, sie sind mit der „Hauswirtschaft“ beschäftigt; sie sorgen für das bewegliche Zelt der Nomaden, für Küche und Kleidung und sind in Handarbeiten gewandt. Sie verstehen feine Gewebe, Shawls und Teppiche anzufertigen, die je nach ihrer Größe mit hohen Preisen, selbst mit 500 bis 600 Mark, bezahlt werden. Die linksstehende Abbildung führt uns eine Kirgisenfrau in ihrem Sommeranzug vor. Ueber einem Zitz- oder Kalikohemd und weiten Beinkleidern trägt sie ein langes, mit breiten Aermeln versehenes Kapot ohne Taille; ihr Kopf ist mit einem mächtigen Turban umwunden.

Außerdem zeigt uns unser Zeichner noch einen tanzenden Kirgisen. Schon auf den ersten Blick erkennen wir, daß dieser Tanz nicht der Belustigung dient, sondern mit abergläubischen Vorstellungen zusammenhängt. Der Tänzer versucht wohl, böse Geister zu bannen, und hat sich selbst ein teuflisches Ansehen verliehen. Er hat weiße Holzstäbchen zwischen dem unteren Augenlid und der Braue und zwischen der inneren Unterlippe und den Nasenlöchern eingeklemint und dadurch sein Antlitz verzerrt. Sein Thun und Gebaren flößt gewiß den Naturkindern Schrecken ein, die civilisierten Zuschauer lächeln darüber und empfinden bei diesem Anblick den gewaltigen Fortschritt, der die Völker Europas im Laufe der Jahrhunderte zu der heutigen Stufe emporgeführt hat.

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Falkenjäger mit Wolfshunden.

Der Straßenkampf in Frankfurt a. M. vor fünfzig Jahren. (Zu dem Bilde S. 613.) Vier Monate waren vergangen seit der feierlichen Eröffnung der Deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche, da wurden die Straßen Frankfurts zum Schauplatz blutiger Kämpfe, in denen die Unversöhnlichkeit der in der Paulskirche wie in ganz Deutschland waltenden Gegensätze grell und furchtbar zu Tage trat. Die Entwicklung der Dinge in Schleswig-Holstein gab den Anlaß dazu. Trotz der Erfolge, welche die deutschen Truppen in den Elbherzogtümern errungen hatten, schloß Preußen unter dem Drängen der Großmächte am 26. August den Waffenstillstand von Malmö. Derselbe war ohne Zustimmung der Reichsregentschaft zustande gekommen, gewährte den Dänen Vorteile und vernichtete die Hoffnungen der Schleswig-Holsteiner. Ungeheuer war die Aufregung, welche sich darob der weitern Kreise der Nation bemächtigte, in denen noch der Geist der Märzbewegung mit seinen patriotischen Idealen lebendig war. Die Entrüstung der Patrioten fand in der Paulskirche den rückhaltlosesten Ausdruck durch Dahlmanns schmerzbewegte Erklärung, daß der Malmöer Vertrag die Ehre Deutschlands preisgebe; noch am 5. September beschloß die Nationalversammlung, daß die Ausführung des Vertrags sistiert werden müsse. Eine Krisis im Reichsministerium, das sich, gleich dem Erzherzog-Reichsverweser, zu keinem ernstlichen Einspruch hatte aufschwingen können, war die Folge. Fürst Karl von Leiningen trat zurück und überließ seinem Kollegen Schmerling die Leitung. Dahlmann sollte ein neues Ministerium bilden, doch vermochte er dies in der Verwirrung der Lage nicht. Schmerling behielt das Steuer, und seiner Klugheit gelang es in den folgenden Tagen, auf die Anhänger der preußischen Erbkaiseridee derart einzuwirken, daß am 16. September die erneute Abstimmung über den Waffenstillstand eine kleine Majorität ergab, welche denselben bestätigte.

Drei Tage hatte die Redeschlacht gedauert, welche dieser Abstimmung vorausging. Die Paulskirche war während dieser langwierigen Sitzungen stets von heißerregten Volksmassen umgeben; auf den Galerien drängten sich die Zuhörer, welche jedes Wort gegen den Vertrag mit leidenschaftlichem Beifall begleiteten. R. Blum, Giskra, Vogt, L. Simon weckten durch die energische Sprache, die sie führten, hochaufwogenden Jubel. Welche Enttäuschung dann, als das Resultat der Abstimmung bekannt wurde! „Wir sind verraten!“ hallte es von den Galerien, „Verrat!“ dröhnte es durch die Straßen. Noch am Abend des 16. kam es zu tumultuarischen Auftritten, besonders vor den Versammlungsstätten der verschiedenen Klubs des Parlamentes. Am Tage darauf, einem Sonntag, fand auf der Pfingstweide die große Volksversammlung statt, in welcher Robert Blum, Ludwig Simon und andere Abgeordnete der Linken vergeblich die bedrohlich anschwellende Volksleidenschaft zu beschwichtigen suchten. Eine Adresse ward angenommen, in welcher die 258 Abgeordneten, die für Annahme des Waffenstillstands gestimmt hatten, für „Verräter des Volks, der deutschen Freiheit und Ehre“ erklärt wurden. Ein Ausschuß ward mit der Ueberreichnng dieser Adresse in der Paulskirche, gleich am nächsten Tage, beauftragt. Die Erbitterung der Volksmassen nahm unter dem Einfluß gewissenloser Demagogen einen immer bedrohlicheren Charakter an; angesichts dessen requirierte der Senat der Stadt Frankfurt zum Schutze der Bevölkerung einige Bataillone Preußen und Oesterreicher aus der nahen Bundesfestung Mainz. Als dann am nächsten Tage die Ueberbringer der Adresse vor der Paulskirche eintrafen, fanden sie dieselbe militärisch besetzt. Es erfolgte ein Zusammenstoß zwischen dem Militär und den Volksmassen; übertriebene Gerüchte davon verbreiteten sich in der Stadt und entflammten zu blinder Wut; ohne daß ein Aufstand organisiert war, kam es gleichzeitig in verschiedenen Straßen zum Bau von Barrikaden und zum Kampf um dieselben. Inzwischen hatte der Senat dem Reichsministerium erklärt, daß er es diesem überlassen müsse, für den Schutz der Nationalversammlung zu sorgen, und Schmerling hatte daraufhin noch mehr Truppen herangezogen, auch Artillerie, welche gegen Abend eintraf. Dieser gelang es leicht, auch jene Barrikaden zu zerstören, welche in den Stunden vorher den Angriffen der Infanterie getrotzt hatten.

Bei der Leidenschaft, welche damals das gesamte politische Leben in Deutschland beherrschte, konnten Versuche nicht ausbleiben, die eine und die andere Partei für das am 18. September in den Straßen Frankfurts vergossene Blut verantwortlich zu machen. Im besonderen wurde gegen die Führer der „Linken“ die Anklage erhoben, daß sie die eigentlichen Urheber des Volksaufstands gewesen seien. Ein solcher Zusammenhang ist niemals nachgewiesen worden. Wohl aber ist es Thatsache, daß gerade die Führer der Linken sich nach Ausbruch des Straßenkampfes die größte Mühe gegeben haben, seine Fortsetzung zu verhindern. Durch persönliche Vorstellungen beim Reichsverweser erwirkten sie einen Waffenstillstand, den sie benutzen wollten, die Arbeiter, Turner und Blusenmänner auf den Barrikaden von der Nutzlosigkeit des Blutvergießens zu überzeugen. Mitten durch den Kugelregen begaben sich Trütschler, Blum, Vogt, Rösler von Oels u. a. unter die Kämpfenden, an ihren Stöcken weiße Tücher emporhaltend, die sie als Parlamentärflaggen schwenkten. Doch ihre Bemühungen waren in den meisten Fällen vergeblich. Unser Bild zeigt den Abgeordneten Rösler von Oels auf der Barrikade am Allerheiligenthor bei diesem Friedenswerke.

Am Loppiosee. (Zu dem Bilde S. 617.) Südlich von Rovereto zweigt bei der Station Mori eine Seitenbahn ab, die den Reisenden in raschem Fluge nach Riva und dem prächtigen Gardasee bringt. Sie führt durch eine malerische Landschaft, das einsame und düstere Loppiothal. Gleich nach dem Verlassen des gleichnamigen Hauptortes dieses Thales gelangt man an das Ufer des kleinen Loppiosees, der, von kahlen Felsen eingeschlossen, das Ansehen eines Hochalpensees hat. Südlich von ihm winden sich Bahn und Straße zum Scheidekamm zwischen dem Loppio- und Sarcathal empor und mit einem Mal öffnet sich dort der Blick auf das herrliche Becken des Gardasees. Auf der Paßhöhe ragt ein malerischer Felsblock empor, den eine alte Kapelle krönt. Hier atmen Roß und Reiter erleichtert auf, denn nun ist die strenge Steigung im Rücken und leicht geht es auf der guten Straße vorwärts. Von dieser Höhe bietet sich aber auch ein prächtiger Ausblick auf den dunkelgrünen Loppiosee mit den Lessinischen Alpen im Hintergrunde, den das stimmungsvolle Bild Diemers naturgetreu wiedergiebt. *      

Reineke auf der Fasanenjagd. (Zu dem Bilde S. 637.) Wo immer man Gelegenheit hat, das Thun und Treiben Reinekes, des roten Strauchdiebes, beobachten zu können – immer ist er der interessante Gauner, der durch seine vielseitigen Jägerkünste den Beschauer aufs beste zu unterhalten weiß. Gewöhnlich allerdings muß man sich begnügen, ihm zuzusehen, wie er Mäuse fängt, wie er auf dem Acker, der Wiese hin und her trabt, dann gegen den Wind mit vorgestrecktem Fange langsam vorwärts schleicht, einen Augenblick „vorsteht“ und mit weitem Sprunge, vor Jagdlust mit der Lunte schlagend, die Maus mit den Pfoten an die Erde drückt. Aber hin und wieder kann man ihn auch statt auf Mäuse, deren Fang seine Niederjagd bildet, auf „Hochwild“ jagen sehen. Er stellt Hasen und jungen Rehen nach; Entenbraten ist für ihn ein großer Leckerbissen, und um seinetwillen scheut er selbst im Herbst und Winter ein kaltes Bad nicht. Ein solcher für alle kulinarischen Genüsse das größte Verständnis

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 642. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0642.jpg&oldid=- (Version vom 4.1.2023)