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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

an war es nur ein Schritt, um das Porzellan in den Dienst der Plastik zu stellen. Dieser Schritt wurde bald gemacht: man fabrizierte nicht mehr nur Gefäße, sondern auch Figuren der mannigfaltigsten Art, bis zu den kompliziertesten Gruppen, von welchen der berühmte „Parnaß“ eines der bezeichnendsten Beispiele ist.

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Dreher, Gießer und Former.

In der Malerei verschwanden jetzt die chinesischen und japanischen Elemente vollständig: Jagd- und Schlachtscenen traten an ihre Stelle; bald verlangte man hier eine Symbolik, und nicht selten auf Kosten der Kunst. Diese und andere Umstände mußten zum Niedergang der gesamten Porzellanindustrie führen. Beschleunigt wurde dieselbe durch die Napoleonischen Kriege, nachdem von 1765 bis 1780 unter dem Grafen Marcolini ein Uebergangsstil, gekennzeichnet durch Einfachheit in den Gefäßformen, und gegen Ende des Jahrhunderts eine Periode steifer Klassicität eingetreten war. Glücklicherweise ist seit jenen Tagen wieder ein bedeutender Aufschwung in dieser Industrie erfolgt, und gegenwärtig befindet sie sich, dank hauptsächlich der Rückkehr zu den Mustern des Rokoko, wieder in erfreulicher Blüte.


Schloß Josephsthal.

Roman von Marie Bernhard.

 (Schluß.)

21.

Seit zwei Tagen war die ganze Physiognomie des Josephsthaler Schlosses völlig verändert. Die elektrischen Glocken waren zum größten Teil abgestellt, die Diener huschten auf noch leiseren Sohlen als sonst, die Thüren gingen geräuschlos in ihren Angeln, zwei barmherzige Schwestern aus Greifswald waren häufig auf den Gängen und Treppen anzutreffen, Aerzte kamen und gingen, ein alter Herr mit schneeweißem Haar und traurigen blauen Augen schlich beständig, wie ein ruheloser Geist, von Zimmer zu Zimmer, von Stiege zu Stiege, um immer wieder an eine verschlossene Thüre zurückzukehren – Kübel mit Eis und Kompressen von Leinen oder Wundwatte mit Jodoform wurden umhergetragen ... es war wie in den schauerlichen Sterbetagen des Barons von Hofmann: das Schloß war in ein Krankenhaus umgewandelt.

Wenn der junge Mann, der da auf seinem Sterbebette lag – für Françoise stand es fest, daß er sterben mußte! – auch sehr hübsch war und die Baroneß ihn ihren Vetter und den alten Herrn „Onkel Eberhard“ nannte ... mon Dieu, die Thatsache stand doch fest: er war Buchhalter in der Oelmühle und bezog jährlich so und so viel Gehalt aus Alix’ Tasche! – Françoise wagte natürlich nicht, zu Mignonne direkt etwas zu äußern. Aber ihre ganze Persönlichkeit war in diesen Tagen nichts als ein lebensgroßer Protest. Zehnmal des Tages lief sie zu Frau von Sperber: „Ich kann nicht schweigen, ich muß mir mein Herz erleichtern! O, Madame, ich beschwöre Sie, sagen Sie mir Ihre wahre Meinung: billigen Sie dies? Finden Sie es richtig, daß eine unverheiratete, vornehme junge Dame einen jungen unverheirateten Herrn in ihr Haus aufnimmt und ihn da verpflegen läßt, als sei er ein Prinz?“

Die Majorin konnte nicht umhin, wenngleich in etwas veränderten Wendungen, allemal dieselbe Antwort zu geben: „Liebe Françoise, ich kann nichts Unpassendes dabei finden. Die Baroneß ist, obgleich jung an Jahren, doch klug genug, um zu wissen, was sie thut, und die Konsequenzen ihrer Handlungsweise zu tragen. Sie steht auch nicht allein und ohne mütterlichen Rat und Schutz, wofür wäre ich denn da? Hätte Alix, die über so viel Mittel und helfende Hände verfügt, den jungen Mann hilflos im Walde in seinem Blute liegen sehen und nach Hause reiten und gemütlich frühstücken sollen, als wenn nichts geschehen wäre?“

„Nein, aber sie konnte ihn ins Josephsthaler Krankenhaus bringen lassen und, wenn sie schon ein übriges thun wollte, für eine gute Verpflegung dort sorgen.“

Dann seufzte die Französin; und Frau von Sperber seufzte auch, wenngleich aus andern Gründen.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 756. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0756.jpg&oldid=- (Version vom 30.4.2024)