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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

geschnitten, die Schnittflächen werden vorgezeigt: „O, welche Pracht! Welche Ware, welche Ware ist das! Seht, da geht die Sonne auf!“

Handel mit alten Kleidern.

„Nein, nein! Hier sind die wahren Melonen! Der dort hat nur den Mond, die wirkliche Sonne seht ihr hier! Acht Soldi die ganze, vier die halbe, wer sie hier ißt, drei!“

Der Widersacher spaltet nun auf dem Haupte eines Buben gewandt mit einem Messerstreiche eine andere der gepriesenen Früchte, staunt selbst und ruft: „Ah! Das achte Wunder der Welt! Blickt her, wenn ihr Augen habt! Welcher Glanz: Feuer! Feuer!“

„Vesuv! Vesuv!“ tönt es vom Gegenüber.

„Aetna und Mongibello (Volksname des Aetna). Aetna hier!“

Aber auch damit ist die höchste Steigerung noch nicht erreicht, denn der Nebenbuhler spielt den letzten Trumpf aus mit dem Schrei: „Hier habt ihr die Hölle mit allen Teufeln!“

Da legt denn der Kollege Messer und Melone hin, stemmt die Arme in die Seiten und spricht ironisch resigniert: „Jetzt woll’n wir doch mal sehen, was du uns noch zu sagen hast!“

Mit diesem Wort geht das Wortgefecht von neuem los.

In gleicher Weise schreit daneben der Pizzajuolo, der Brotkuchenbäcker, der fetttriefende Zeppolajuolo, der seine Waffeln oder Zeppole (die den Namen vom S. Giuseppe, dem heiligen Josef, haben) auf kleinem Tuffsteinherde in Fett oder Oel bäckt und zum „Schwelgen“ auffordert: „Schwelgt, schwelgt, jetzt ist es Zeit zum Schwelgen!“ Zwischen diese Händlergruppen drängen sich Leute, die allerlei Hausgeräte, Körbe, Bürsten u. dergl., zum Verkauf anbieten; und auch in den Straßen Neapels fehlt nicht der Mann mit alten Sachen, der Trödler. Unermüdlich durchwandert er die Straßen, Käufer und Verkäufer in einer Person.

Der allerneapolitanischste Typus, der am meisten hervorstechende, ist der „Pescivendolo“, der ambulante Fischhändler. Bronzefarben, schlank und hager, aber voll Federkraft, in seinen Zügen ein Gemisch von Verschlagenheit, Geldgier und Mißtrauen, stürzt er an heißen Tagen, wo seine Ware gar bald verderben könnte, mit Tigersprüngen durch die Straßen. Seine Kleidung ist ein Hemd und eine Halbhose, zu der sich manchmal noch das „phrygische“ Barett gesellt.

Er hat hundert Variationen in seinen Rufen, allen aber liegt das Leitmotiv unter: „Jetzt, jetzt eben hab’ ich sie aus dem Netze genommen, seht, sie zappeln noch! Sie springen von selbst in die Pfanne!“ Beinn Feilschen um den Preis geht es bei diesem Händler oft recht schlimm zu, und wütend läuft er die Treppen hinab, um doch zwei-, dreimal zurückzukehren.

Ihm verwandt, aber ruhiger und geduldig wie seine Ware ist der „Ostricaro“, der Austernhändler, der seinen Stand mit seinen Konkurrenten in langer Reihe dereinst in dem berühmten Santa Lucia hatte, von wo die Neuzeit ihn bald ganz vertreiben wird.

Maccheronikoch.

Das Meer bietet den Küstenbewohnern noch andere Genüsse. Dazu wird auch der Tintenfisch gerechnet, der im Volke noch immer den Namen „Polyp“ führt. Ihm ist in den Straßen Neapels ein eigener Verkaufsstand gewidmet. In der Nähe des „Ostricaro“ sitzt auch die Verkäuferin der „Purpetielle“, der Meerpolypen, die als Speise vom kleinen Volke sehr geschätzt werden, weil sie lange im Magen zu spüren sind. Der Polyp wird in seinem eigenen Safte gekocht und mit etwas Salz und Citronensaft verschlungen.

Die Maccheroni! Wollte man alle ihre Sorten, ihre Herstellung und Bereitung genauer beschreiben, so würde das ein Kapitel für sich erfordern. Neapel steht in dem Rufe, mit besonders guten Maccheroni versorgt zu sein. Nicht weit von der Stadt liegt Amalfi, das erst vor kurzem in der „Gartenlaube“ (Jahrgang 1896, S. 173) ausführlich geschildert wurde. Von dort kommen seit lange nach Neapel die herrlichsten Nudeln. die in den Trattorien von italienischen Leckermäulern „versponnen“, d. h. in langen unzerschnittenen Fäden bündelweise verschlungen werden. Pomidorosauce und feingeriebener Käse erhöhen den Wohlgeschmack. Der Feinschmecker denkt dabei nicht, mit welcher Mühe die armen Amalfitaner den Teig geknetet haben. Einfacher bereitet und geringerer Güte sind die Nudeln, die in der Maccheroniküche auf der Straße feilgeboten werden. Aber sie finden begeisterte Liebhaber. Wohl dem jungen Diogenes, der des Luxus der Gabel entbehren kann und sie, die „göttlichen“, „in aria“, d. h. in der Luft, von der emporgehobenen Hand in den Mund herabhängend, verzehren gelernt hat!


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 852. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0852.jpg&oldid=- (Version vom 5.6.2023)