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Die Leuchten unserer Väter.

Von Franz Bendt.
Mit Illustrationen von A. Kiekebusch.

Im alten Rom.

Wie reich die moderne Wissenschaft uns Kinder der Gegenwart mit Geschenken überschüttete und überschüttet, zeigt sehr deutlich eine geschichtliche Betrachtung der Lampen und der sonstigen Beleuchtungskörper früherer Zeiten. Schon deshalb, weil jedermann fähig ist, ihren Wert oder Unwert verhältnismäßig leicht zu beurteilen.

In den stolzen Palästen der alten Kulturvölker am Tigris und am Nil, am Tiber und an den Ufern des Aegäischen Meeres, deren Reste jetzt noch von ehemaliger Pracht künden, versank, wenn die Nacht ihre Fittiche ausbreitete, alle diese Herrlichkeit in ein trauriges Dunkel, und die weiten Hallen verloren ihren Reiz im roten Lichte qualmender Fackeln und Lampen. Daß die alten Schriftsteller nicht mehr über den schroffen Uebergang vom Tag zur Nacht klagten, läßt sich allein daraus erklären, daß die Königin des Tages in jenen sonnigen Gebieten den glücklichen Bewohnern treuer ist als uns.

Die Beleuchtungsvorrichtungen der Alten waren thatsächlich höchst primitiver Natur. Ihre mit vegetabilischen oder tierischen Oelen gefüllten Lampen bestanden aus einem einfachen Gefäß, in dem ein rundgedrehter Docht, ein sogenannter Wurmdocht, lag. In unserer noch viel verbreiteten mit Oel beschickten Küchenlampe (vgl. Abbildung S. 18) besitzen wir ein Ueberbleibsel jener ältesten Einrichtung. Sie unterscheidet sich von ihr nur in ihrer äußeren Gestalt; denn die Alten gaben ihren Gefäßen die anmutigsten Formen, die jetzt noch unser Auge entzücken. Eine Probe davon bietet die Abbildung aus S. 18.

Neuere Ausgrabungen haben auch Beleuchtungsvorrichtungen zu Tage gefördert, welche darauf hindeuten, daß die alten Griechen und Römer bereits die Kerzen kannten. Sie erzeugten sie zweifellos, indem sie Werg oder das Mark der Binse in Wachs oder Talg tauchten.

Die überaus reiche Pflanzen- und Tierwelt der südlichen Länder führte die klassischen Völker zur Oel und Fettbeleuchtung. In den deutschen Wäldern zwang dagegen die spröde Natur unsere Vorfahren zur Verwendung der denkbar einfachsten Leuchte: zum Kienspan. Wir können uns vorstellen, wie sie in seinem rötlichen Lichte ihren Met tranken und sich von ihren Jagdzügen und Kriegsthaten unterhielten.

Mir merkwürdiger Zähigkeit haben sich diese einfachen Lichtspender erhalten. Wie unsere Küchenlampe auf einen Lebensweg von etwa zweieinhalb Jahrtausenden zurückschauen kann, so hat anderseits der uralte Kienspan noch bis vor kurzem in den Spinnstuben vieler deutschen Dörfer sein Licht leuchten lassen, und zu Koch- und Heizzwecken gedient (vgl. Abbildung S. 18). Bemerkenswert ist es ferner, daß zur Zeit, als die Hansa ihre Blüte erlebte, in ihren stolzen Städten die Straßenbeleuchtung durch Kienfeuer eingeführt wurde. Die Behälter für die Feuerung hingen an langen Ketten in der Mitte der Straße. Aber auch mit Oel gespeiste Straßenlaternen in Form unserer heutigen waren bereits damals in Gebrauch.

Gar oft mag der gelehrte Mönch bei seiner Arbeit und der Fürst beim festlichen Gelage die Mängel der künstlichen Beleuchtung tief empfunden haben. Dennoch ist es nicht merkwürdig, daß in einem sehr langen Zeitraum keine besseren Lichtquellen der Welt beschert wurden, weil die physikalischen Grundlagen des Leuchtens erst sehr viel später gefunden worden sind.

Germanen beim Kienspan.

Die erste Verbesserung der Oellampen erfolgte im Zeitalter der Renaissance, im sechzehnten Jahrhundert. Ihr Verbesserer war einer der genialen Männer, die mit scharfen, fast modernen Augen in die Welt schauten, und die neben ihrer umfangreichen klassischen Bildung sich auch Bedeutung als selbständige Forscher erwarben. Der italienische Mathematiker Cardanus trennte den Docht und den Oelbehälter voneinander und brachte diesen etwas höher als die Flamme an. Dadurch kam das schwere vegetabilische Oel unter einen gewissen Druck und gelangte mit größerer Geschwindigkeit zur Flamme, als wenn es allein von der Saugkraft des Dochtes befördert wurde. Ein Bild davon giebt die Abbildung auf S. 19; sie wurde ebenso wie die rein technischen Abbildungen der anderen in unserem Artikel erwähnten Lampen nach Originalen angefertigt, die sich in den Sammlungen des „Vereins der deutschen Gas- und Wasserfachmänner“ in Berlin befinden. Die Photographien wurden für die „Gartenlaube“ durch die Gesellschaft „Urania“ in Berlin ausgeführt, während die stimmungsvollen Bilder, die uns die Anwendung verschiedener Beleuchtungsarten vorführen, von A. Kiekebusch gezeichnet worden sind.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0017.jpg&oldid=- (Version vom 28.4.2024)