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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

daß ich Ihnen als rettender Engel erschienen wäre, um Sie aus den groben Fäusten dieses ungalanten Flegels zu befreien.“

„Oho!“ Pepperls Stimme klang heiser und sein Gesicht war anzusehen, als hätte man ihm Zinnober auf die Stirn gestrichen.

„Sie wünschen?“ fragte Martin und hob die Laterne. „Ist das einer von unseren Jägern?“ wandte er sich ruhig an die Sennerin und musterte wieder mit kühlem Blick die Gesellschaft. „So viel Manier könntet ihr wohl haben, um zu wissen, daß man aufsteht, wenn jemand von der Herrschaft eintritt!“

Die drei Jäger hinter dem Tisch sahen sich mit großen Augen an und erhoben sich schwerfällig.

Pepperl blieb sitzen, legte breit den Arm über den Tisch und sah mit funkelndem Blick zu Martin auf. „Da muß schon ein anderer kommen, bis ich aufsteh! Wegen Ihnen reiß’ ich mir noch lang kein’ Haxen aus!“

„Aber Pepperl, geh, was hast denn?“ stotterte Burgi erschrocken. Und Beinößl griff über den Tisch hinüber und schüttelte den Erregten mit derber Faust an der Schulter. „Geh, Peppi, was machst denn? Bist denn verruckt?“

„Na! Ich net! Aber in Ruh lassen soll er mich! Der!“ Die Mahnung zum Frieden schien Pepperls Zorn nur noch geschürt zu haben. „Wenn er auch noch so pikfein dreinschaut wie ein aus’zogener Tintenspritzer, deswegen is er doch net mehr als wie ein Stiefelputzer, der sein’ Bürsten daheim lassen hat!“

Martin legte vornehm den blonden Kopf zurück und sah mit kaltem Blick über den Jäger weg.

Dieser Blick rührte in Pepperl den wallenden Zorn zum Sieden auf. „Sie! Ich sag’s Ihnen … bleankeln S’ net so mit Ihrem ausg’waschenen G’schau! Und wenn S’ auch ’s Madl schon halb mit die Augen g’fressen haben … ich bin net so leicht zum Schlucken! Verstanden? Mit solchene Augen können S’ enkere Frauenzimmer in der Stadt drin anschauen … aber kein Madl bei uns daheraußen!“

Ohne auf Pepperl zu hören, war Martin zum Tisch getreten. „Geht einer von den Jägern noch heute nach Leutasch?“

„Jawoll!“ erwiderten Birmoser und Ruef.

Dem letzteren, der von beiden der minder bekneipte zu sein schien, reichte Martin ein großes Couvert, das er aus der Brusttasche zog. „Uebergeben Sie dieses Couvert, das zwei Briefe enthält, morgen früh in Leutasch dem Postboten. Die Briefe sollen erst auf der Post in Seefeld aus dem Couvert genommen werden. Das ist strenger Befehl Seiner Durchlaucht. Haben Sie verstanden?“

„Jawoll!“

Mit wohlwollendem Lächeln wandte sich Martin zur Sennerin, welche wortlos dastand. „Gute Nacht, mein schönes Kind!“ Sacht und freundlich klopfte er sie auf die Wange, dann hob er die Laterne, um seinen Weg zu beleuchten, und verließ die Hütte.

Mit keinem Blick sah Burgi dem Abziehenden nach. Sie war bleich und hielt die zornblitzenden Augen auf Pepperl gerichtet. Die drei Jäger hinter dem Tisch begannen zu lachen und wollten mit ein paar derben Späßen über den unbehaglichen Ernst des Augenblicks hinwegturnen. Aber da trat die Sennerin mit raschen Schritten vor Pepperl hin.

„Du! Jetzt will ich dir was sagen!“ Ihre Stimme zitterte. „Wir zwei sind gute Freund’ g’wesen in aller Lustigkeit … net mehr und net weniger. Aber von heut an hat’s ein End’ damit! Solchene Sachen leid’ ich net in meiner Hütten … da kannst dir ein anders Platzl suchen!“

„So? So?“ kollerte Pepperl. „Ist dir am End gar schon Angst um ihn, weil ich ihm seine schmalzigen Haar’ ein bißl auf’kampelt hab?“ Höhnend deutete er mit beiden Armen nach der Thüre. „So geh doch, geh … main scheenes Gindd … und thu ihn schön führen am Armerl, daß er net stolpert!“

Glühende Röte flog über Burgis Wangen und ihre Hände ballten sich im Zorn. „Jetzt sei aber stad, gelt … du rauschiger Unfirm, du. Und kümmer’ dich lieber, daß du ein Helfer findst, der dich heut’ noch auf dein’ Strohsack lupft! Ja, schau mich nur an! Was für ein Recht hast denn eigentlich du, daß dich kümmerst um mich? Wie mich einer anschaut … geht denn das dich was an? Jetzt grad’ mit Fleiß, jetzt soll er mich anschaun wie er mag! Dich frag’ ich noch lang net drum … net heut’ und net morgen! Und überhaupt … heut’ hab’ ich g’nug … von enk alle miteinander!“ Wütend packte sie den hölzernen Wassereimer und goß seinen Inhalt über das müd flackernde Herdfeuer aus, so daß unter dem plätschernden Guß auch das letzte Flämmlein jählings erlosch.

„Aber Madl, so geh,“ fiel Beinößl beschwichtigend ein, „der ander’ giebt ja schon Ruh … jetzt sei doch net du die Narrische.“

Ohne zu hören, warf Burgi den Eimer zu Boden, ging zum Tisch und blies das in einer leeren Flasche steckende Talglicht aus. „So! Jetzt hab ich Polizeistund’ g’macht!“ grollte sie in der Finsternis, welche plötzlich die Hütte erfüllte. „Gut’ Nacht miteinander!“

Die Jäger lachten, nur Pepperl nicht; und als er in der Dunkelheit die Kammerthüre gehen und drinnen den schweren Eisenriegel klirren hörte, sprang er auf. „He! Burgi! Du! Geh her, ich muß dir was sagen noch!“ Als keine Antwort kam, begann er mit beiden Fäusten an die Kammerthür zu trommeln.

Während Birmoser bedächtig am Tisch umhertappte, um die letzte noch ungeleerte Flasche für sich zu retten, legten sich Ruef und Beinößl bei der Kammerthür ins Mittel und lotsten den Praxmaler-Pepperl unter gütlichem Zureden zur Sennstube hinaus in die stille, sternenschöne Sommernacht.

Pepperl wehrte sich mit Armen und Füßen. „Laßts mich aus! Ich sag’s enk im guten! Ich muß ihr was sagen! Laßts aus!“

Aber die beiden hielten fest und zogen an, daß Pepperl auf den vorgestemmten Füßen eine Rutschpartie übers Almfeld machte.

„Na! Und na! Und ich geh’ noch net heim! Ich muß ihr was sagen!“

„Jetzt halt dein’ Schnabel einmal, du Niegl, du eifersüchtiger!“ schnauzte ihn Beinößl an.

„Was? Eifersüchtig? Was? Daß ich net lach’!“ Und richtig, Pepperl lachte mit seiner heiseren Stimme laut in die Nacht hinaus. „Was geht denn mich die Burgi an! Im ganzen Leben hab’ ich nix g’habt mit ihr! Auf Ehr und Seligkeit! Und ich will auch nix haben mit ihr! Na! Net um d’ Welt! Ich mag net! Na! Oes seids mir die richtigen Freund’! Das muß ich sagen! Saubere Freund’! Und bringen ei’m solchene Sachen auf! Was? Helfts am End auch schon dem andern? Ja?“

„Geh, du Narr! Aber paß nur auf … der wird dich g’hörig verklampern beim Fürsten!“

„Verklampern? So? Meintwegen! Soll er mich halt verklampern! Jetzt is mir schon alles eins! Und meine Freunderln, meine guten … gelt, ja? … die machen ihm leicht noch ein’ Zeugen? Ja! Laßts aus! Mit enk will ich nix mehr z’schaffen haben! Na!“

Mit energischem Ruck befreite er seine Arme, rückte trotzig seinen Hut übers Ohr, wie einer, der weiß: jetzt hat mich alles verlassen, jetzt bin ich auf mich allein gestellt! – Und während ihm die Jäger lachend nachsahen, stolperte er einsam durch die Finsternis der nahen Hütte zu, die er mit dem Förster bewohnte.

Aber in seinen Ohren war ein böses Wort zurückgeblieben: „Verklampern! … Paß auf, der wird dich g’hörig verklampern beim Fürsten!“

Tief aus bedrückter Seele seufzend, erreichte er die Thüre des Försterhäuschens – und ohne zu prüfen, ob sie offen oder geschlossen wäre, suchte er eine Viertelstunde lang in allen Taschen nach dem Schlüssel. Als er ihn nicht fand – weil der Schlüssel im Schlosse steckte – ließ er sich in dumpfer Erschöpfung auf die Schwelle nieder und nahm seinen sumsenden Kopf in beide Hände.

Undeutlich und verworren tauchten die Ereignisse, die sich in der Sennhütte abgespielt hatten, vor seinem erwachten Gewissen auf. „Teufi, Teufi, Teufi! Was hab’ ich denn jetzt da für Sachen g’macht! Jetzt glaub’ ich schon selber, daß ich ein bißl z’viel derwischt hab!“ Schwer atmend erhob er sich, tappte unter den Bäumen bis zum Röhrenbrunnen und steckte den heißen Kopf in den Wasserstrahl. Unter Schnauben und Prusten stand er über den Rand des Troges gebückt; das eiskalte Wasser, das ihm die Ohren und das Gesicht umpritschelte und durch den Joppenkragen über den Rücken rann, machte ihn schauern und zittern; doch geduldig hielt er den kalten Guß so lange aus, bis es in seinen vom Wein umdusterten fünf Sinnen wieder hell zu werden begann. Dann zog er die Joppe herunter und rüppelte mit ihrem Futter den Kopf, bis die Haare leidlich trocken waren.

Seufzend kehrte er zur Hütte zurück. Und da war es ihm fast leid, daß er diese radikale Wasserkur unternommen hatte. Denn im Weindusel hätte er wohl bald den Schlaf gefunden und wäre die verwünschten Gedanken losgeworden – aber jetzt, da er zur klaren Erkenntnis der „Dalkerei“ gekommen war, die

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0042.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)