Seite:Die Gartenlaube (1899) 0124.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Deutschland war sie noch niemals beobachtet worden, um so merkwürdiger erscheint ihr so massenhaftes Auftreten in einem westfälischen Teiche.

Mit dem Eintritt der kühleren Jahreszeit nahm die Zahl der Infusorien ab, und im September 1897 waren sie verschwunden. Im Sommer des vorigen Jahres traten sie wieder auf, aber in einer bei weitem geringeren Menge. Ein schädlicher Einfluß auf die Fische konnte nicht bemerkt werden.

Schließlich möchten wir noch eines rotfärbenden Bakteriums erwähnen, das den Menschen befällt und zur Entstehung des „roten Schweißes“ Anlaß bietet. Es ist der Micrococcus haematodes, der durch gelatinöse Massen verbundene Kolonien bildet. Er haftet an den Haaren der Körperstellen, an welchen sich der rote Schweiß bildet, z. B. in den Achselhöhlen. Sein Farbstoff hat dieselben Eigenschaften wie der des Micrococcus prodigiosus. Der Organismus gedeiht nur bei entsprechender Wärme und wächst in Kulturen bei 37°C. Das „Blutschwitzen“, das er vortäuscht, braucht zu keiner Sorge Anlaß zu geben. Es läßt sich leicht und rasch durch antiseptische Behandlung der betroffenen Körperstelle beseitigen.


Schiffszusammenstöße.

Von Viceadmiral a. D. Reinhold Werner.


Die öffentliche Meinung beunruhigt sich mit Recht über die stets wachsende Zahl der Schiffszusammenstöße, bei denen Hunderte von Menschenleben verloren gehen. Vor nicht langer Zeit erst hat wieder der Untergang des französischen Passagierdampfers „Bourgogne“ ein erschreckendes Beispiel davon gegeben, dem sich die Unfälle der deutschen Dampfer „Cimbria“ und „Elbe“ 1883 und 1895 traurigen Angedenkens anreihen. Aehnliche Katastrophen kleineren Umfangs zählen nicht allein nach Hunderten, sondern nach Tausenden, wenn sie auch zum bei weitem größten Teile gar nicht zur Kenntnis des binnenländischen Publikums kommen, sondern in den Schiffahrtszeitungen der Seestädte als Unglücksfälle registriert werden, an denen die Versicherungsgesellschaften das hauptsächlichste Interesse nehmen, während sie an weiteren Kreisen fast spurlos vorübergehen. Und doch hat die Statistik allein in den englischen Gewässern in einem Jahre 713 solcher Zusammenstöße verzeichnet. Diese Gewässer sind freilich diejenigen, in denen in verhältnismäßig engen Grenzen die meisten Schiffe zusammenströmen; rechnet man aber alle übrigen Unfälle gleicher Art außerhalb derselben dazu, so wird man sie mit Tausend nicht zu hoch schätzen. Welche Menge von Menschenleben dabei geopfert, welche Unsummen von Eigentum dabei zu Grunde gegangen sind, kann man sich denken, und die Frage drängt sich dabei unwillkürlich auf, ob es denn gar nicht möglich ist, solchen haarsträubenden Zuständen vorzubeugen oder sie wenigstens einzuschränken.

Es ist wunderbar genug, daß bisher diesen Verhältnissen so wenig Beachtung geschenkt ist. Wenn einmal eine solche Katastrophe zur allgemeinen Kenntnis gelangt, dann sind alle Zeitungen davon voll, alle Leser sind entsetzt darüber; nicht aus den Seestädten, aber wohl aus dem Binnenlande werden auch Vorschläge gemacht, die sehr gut gemeint, aber in fast allen Fällen unausführbar sind, da sie auf gänzlicher Unkenntnis der Schiffsverhältnisse beruhen; damit ist nach kurzer Zeit die Sache vergessen und es bleibt alles beim Alten. Man nehme doch einmal an, daß auf den Eisenbahnen eines Landes von der Größe der englischen Gewässer in einem Jahre Hunderte von Zusammenstößen mit auch nur annähernd so schlimmen Folgen wie auf See vorkämen, würde da nicht die ganze Bevölkerung, und auch mit vollem Recht, in die furchtbarste Aufregung geraten und einmütig darauf dringen, daß unter allen Umständen Abhilfe geschaffen werde?

Nun, es liegt wahrhaftig genug Veranlassung vor, auch für die Schiffahrt ein Gleiches zu fordern, um so mehr, als es Mittel giebt, zwar nicht die Zusammenstöße gänzlich zu verhindern – das liegt nicht in der Macht des Menschen –, aber ihre Zahl zu vermindern. Dazu bedarf es nur eines Willens und einer vom gesamten Volke unterstützten energischen Regierung, um auf die Aenderung des internationalen Gesetzes über das Seestraßenrecht zu dringen, dessen Fassung an vielem Unheil schuld ist.

Mit diesem Gesetze ging England im Jahre 1863 vor, und es schlossen sich ihm allmählich die übrigen seefahrenden Staaten an. Es enthielt in 26 Paragraphen die Vorschriften über das Ausweichen zur See, behandelte das Lichter- und Signalwesen, welches auf ersteres Bezug hat, und setzte die Strafen fest, die den Verstößen gegen die Bestimmungen folgen sollten.

Die Mangelhaftigkeit der letzteren wurde bald empfunden. Bereits 1889 trat in Washington ein von den meisten Seestaaten beschickter Kongreß zur Aufstellung neuer Regeln zusammen, die nach mehrjährigen Verhandlungen eine internationale Anerkennung gefunden haben.

Eine Verbesserung des Gesetzes ist dadurch aber nach meinem Dafürhalten nicht geschaffen worden. – Das ältere, 1871 für das Deutsche Reich als gültig eingeführte, enthielt 26 Paragraphen, das neue enthält noch drei mehr. Von diesen soll der Schiffsführer oder Wachhabende die letzte größere Hälfte so im Gedächtnis haben, daß sie ihm in Fleisch und Blut übergegangen sind, um sie unter den verschiedenen Verhältnissen ohne Zögern anwenden zu können, während dies bei der ersten Hälfte nicht so unbedingt nötig ist. Nun, ich meine, es ist zu viel verlangt, um in einem Falle, wo jeder Augenblick verhängnisvoll werden kann, 14 bis 15 Paragraphen klar im Kopfe zu behalten. Bei Tage und in hellen Nächten, wo man Zeit zur Ueberlegung hat, mag dies möglich sein, aber dann finden auch in den wenigsten Fällen Zusammenstöße statt. Dagegen wird die nötige Geistesgegenwart leicht fehlen bei Nebel, in dem man oft kaum einen Gesichtskreis von ein paar hundert Schritten hat, bei Schneetreiben, bei unsichtiger, dicker Regenluft in mondlosen Nächten, wo es an Zeit gebricht, wo der auf der Kommandobrücke stehende, von der Witterung und der überdampfenden See halb geblendete Wachhabende plötzlich in unmittelbarer Nähe ein Fahrzeug aus dem Dunkel auftauchen sieht und ihm oft keine halbe Minute zu Gebote steht, um eine Entscheidung zu treffen, bei der Schiff und Menschenleben auf dem Spiele stehen – dafür sind jene Regeln nicht einfach genug und müssen eine kürzere Fassung erhalten. Daß dies möglich ist, hat R. Prien in seinem ebenso erschöpfenden wie höchst beachtungswerten, 1896 bei Guttentag in Berlin erschienenen Werk „Der Zusammenstoß von Schiffen“ dargethan. Er hat jene 26 Paragraphen des alten Gesetzes in zehn zusammengefaßt, die an Verständlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen, und damit würde schon einem großen Mangel abgeholfen sein.

Das ist aber nicht der Hauptpunkt, sondern der unglückliche § 13 der alten und § 16 der neuen Vorschrift bedarf vor allem einer Aenderung, denn in seiner jetzigen Fassung verschuldet er die meisten Kollisionen.

Er lautet folgendermaßen: „Jedes Schiff, ob Segel- oder Dampfschiff, muß bei Nebel, dickem Wetter oder Schneefall mit mäßiger Geschwindigkeit fahren.“ In einem Gesetze, das solche ungemeine Wichtigkeit für die Allgemeinheit hat wie das Seestraßenrecht, darf unmöglich ein Ausdruck gebraucht werden, dessen Auslegung nach Belieben in das subjektive Ermessen des Einzelnen gestellt wird. Dies ist aber hier unbedingt der Fall, denn das Wort mäßig ist ein ganz vager, nach keiner Seite begrenzter Begriff und die in Washington zugefügte Bemerkung „unter sorgfältiger Berücksichtigung der obwaltenden Umstände und Bedingungen“ ist ebenso unbestimmt und ändert nichts. Wir haben jetzt Passagierdampfer, die, wie „Kaiser Wilhelm der Große“ vom Bremer Lloyd, dauernd 22 Knoten (51/2 deutsche Meilen) in der Stunde machen. Wenn ein solcher nun 18 oder 16 Knoten läuft und es passiert ein Unglück dadurch, dann kann dem Kapitän das Gesetz nichts anhaben, denn er hat in der That die Geschwindigkeit ermäßigt, also dem Gesetze Genüge geleistet, und doch kann diese Geschwindigkeit an einer Katastrophe, bei der viele Hunderte von Menschenleben zu Grunde gehen, die alleinige Schuld tragen.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0124.jpg&oldid=- (Version vom 13.8.2023)