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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Zur selben Zeit, wo sich in der deutschen Litteratur jene Angriffe auf die älteren Schriftsteller und also auch auf die Marlitt einstellten – wie Sturmvogel, die einer neuen Zeit voranflogen – hatte ein verhängnisvoller Zufall die Dichterin für längere Dauer arbeitsunfähig gemacht. Seit der „Zweiten Frau“ (1873), die man wohl als den Zenith ihres Schaffens und ihrer Popularität betrachten kann, hatte Marlitt noch die Romane „Im Hause des Kommerzienrats“ (1876), „Im Schillingshof“ (1879) und „Amtmanns Magd“ (1881[WS 1]) geschrieben und war eben in der Arbeit an der „Frau mit den Karfunkelsteinen“. Da ereignete sich am Abend des 28. Juli 1883 ein schweres Unglück.

Sie war am Nachmittag mit einer neuen, auf der Hygieinischen Ausstellung in Berlin besonders gelobten Tragbahre auf das Plateau ihres Aussichtsturms im „Marlittheim“ getragen worden und sollte nun zurücktransportiert werden. Bei diesem Transport brach aber eine Tragstange, und Eugenie in ihrer Hilflosigkeit fiel so unglücklich nach vorn, daß sie ein ganzes Jahr lang an den Folgen dieses Sturzes aufs schmerzlichste zu leiden hatte.

Von Arbeit konnte unter diesen Umständen natürlich keine Rede mehr sein. Der berühmte Chirurg Volkmann in Halle (als Dichter der Märchen von Richard Leander in allen deutschen Landen wohlbekannt) stellte sie endlich so weit wieder her, daß sie ohne allzuviel Schmerzen schreiben konnte, und Ende November 1884 hatte sie ihren Roman von der „Frau mit den Karfunkelsteinen“ doch vollendet. Daß zwischen Anfang und Ende dieser außerordentlich spannenden Geschichte (die frei von den gerügten Sensationsmotiven der „Zweiten Frau“ ist und eine der liebenswürdigsten Individualisierungen des Marlittschen Trotzköpfchens und eine ganze Anzahl prächtiger Gestalten aus dem Volke enthält) so viel Schmerzen lagen, merkte man dem Buche nicht an. Es hatte wieder den großen Erfolg wie die früheren Marlittschen Romane und wurde vom Publikum verschlungen.

Aber es war auch das letzte Buch der Erzählerin, den Roman „Das Eulenhaus“, der den Jahrgang 1888[WS 2] der „Gartenlaube“ eröffnete, konnte sie nicht mehr zu Ende schreiben; er wurde im Geiste der Marlitt mit Geschick von W. Heimburg vollendet. Am 11. Oktober 1886 erkrankte Eugenik John jählings an einer Pleuritis (Rippenfellentzündung), und das wurde ihre Todeskrankheit. Sie litt monatelang unsäglich viel Schmerzen; die Morphium-Einspritzungen konnten sie ihr nur auf kurze Zeit lindern. Am 22. Juni 1887, 7 Uhr morgens, ward sie endlich von allen Leiden erlöst. Am 25. wurde sie unter großem Geleite der gesamten Bevölkerung Arnstadts zu Grabe getragen.

  1. Vorlage: 1882
  2. Vorlage: 1887



Der Goldmacher Don Manuel Caëtano.

Am prunkliebenden Hofe des ersten Königs von Preußen, Friedrich I. erschien im Jahre 1705 ein Fremder, dessen Einzug in Berlin durch seine Pracht selbst die an Pomp gewöhnten Berliner in Erstaunen setzte, um so mehr als mit diesem Pomp allerlei auffällige Seltsamkeiten verknüpft waren.

Der Fremde kam mit einem langen Wagenzuge an: in dem ersten Wagen saßen mehrere Diener in glanzvollen, von Gold und Silber strotzenden Livreen. Dann folgten mehrere verschlossene Wagen, die mit verschiedenen Fratzen bemalt waren und einen unheimlichen Eindruck machten. Hinter ihnen kam eine altertümliche Karosse, mit mehreren Käfigen, in denen sich unbekannte Vögel und allerlei häßliches Getier befanden. Mit ihnen wetteiferten die Insassen des nächsten Wagens, die Neugierde und das Staunen der Volksmenge zu erregen: da sah man einen Mohren, einen Zwerg und zwei kupferbraune Indianer in phantastischer Kleidung, mit Muscheln und Federn geschmückt, Antlitz und Arme tätowiert, neben ihnen Affen, Katzen und Hunde. Jetzt wandten sich alle Augen dem von vier Pferden gezogenen Reisewagen zu der reich mit Gold und Edelsteinen verziert war und in welchem der Fremde selbst saß, vornehm und ruhig die Menge musternd, neben ihm seine Gemahlin, überladen mit Perlen und goldenem Geschmeide. Der Wagenzug lenkte in die Dorotheenstraße ein, wo der Fremde ein Haus gemietet hatte mit einem großen Garten, rings durch eine Mauer abgeschlossen.

Dieser Fremde war Don Manuel Cataëno, Graf von Ruggiero, welcher behauptete, Gold machen zu können, und Proben seiner Kunst in Madrid, Paris, Brüssel, Kopenhagen, zuletzt auch vor dem deutschen Kaiser abgelegt hatte. Nachdem er in sein Haus eingefahren, wurden die Thore sogleich verschlossen; aber bis in die Nacht hinein umschwärmte die neugierige Menge das Haus des Grafen, von dem man sich erzählte, er stehe mit dem Teufel im Bündnis und beziehe überall nur solche abgesonderte Wohnungen. Infolge der Verschwendung des prachtliebenden ersten Königs waren damals die preußischen Kassen leer; aus den Domänen ließ sich nicht genug herausschlagen, um den Aufwand des glänzenden Hofstaats zu decken. Durch einen solchen Zauberer die Kassen füllen zu lassen, das war ein Gedanke, der den hohen Würdenträgern des Reiches und auch dem König selbst sofort einleuchtete; auch waren die Hofbeamten nicht abgeneigt, möglichst viel von dem Goldstrom in ihre eigenen Privatkassen abzuleiten. Der Oberheroldsmeister von Biederstein wurde besonders beauftragt, sich näher nach der Kunst des Grafen zu erkundigen. Auch andere hochgestellte Beamte machten ihm ihren Besuch, und selbst zum Könige erhielt er Zutritt.

Nun kam es auf eine Probe an. Der Kronprinz, der spätere gestrenge Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I, zeigte seinen unbestechlichen gesunden Menschenverstand, indem er den Fremden für einen Betrüger erklärte: es gebe keine Wissenschaft, vermöge welcher Gold erzeugt werden könne; es sei nicht recht, den hergelaufenen Abenteurer im Lande aufzunehmen oder ihm gar Zutritt bei Hofe zu gestatten. Der Graf aber zeigte sich sehr zurückhaltend, selbst als der Oberheroldsmeister ihm den Wunsch des Königs zu erkennen gab, seine Kunst kennenzulernen. Er machte ihm allerlei Versprechungen, doch Caëtano zeigte sich mißtrauisch betreffs der Dankbarkeit der Fürsten gegenüber ihren treuen Dienern. Gleichwohl verstand er sich dazu, in Gegenwart des mißtrauischen Kronprinzen seine Künste bei Hofe zu zeigen. Dieser besorgte selbst Kohlen, Gefäße, Schmelztiegel, die von dem Goldmacher geforderte Stange Kupfer, einen Fuß lang und einen Zoll dick, und versah diese mit einem Stempel, daß sie nicht vertauscht werden konnte. Caëtano brachte in einer goldenen Kapsel eine Flüssigkeit mit, die er sein Arkanum nannte, das Geheimmittel, um jedes Metall in Gold zu verwandeln. Der Kronprinz selbst sollte für eine möglichst gleichmäßige Hitze durch den Blasebalg sorgen, und ihm übergab Caëtano die mit gewöhnlichem Töpferthon bestrichene Stange, damit er sie selbst, nach sorgfältiger Prüfung des Stempels, in den Schmelztiegel lege. Hierauf tröpfelte er, die Tropfen zählend, die wunderbare Tinktur langsam in den Tiegel und setzte der Flüssigkeit noch etwas Quecksilber zu. Er bat dann den Kronprinzen, die Stange herauszunehmen, wenn er bis zehn gezählt haben werde. Dies geschah – der Kronprinz kühlte die Metallstange in einem bereitstehenden Wasserbecken ab. Dann machte die noch mit dem Stempel versehene Stange die Runde und der Münzmeister erklärte sie für gediegenes Gold. Es war ja das Geheimnis der Alchimie, unedlen Metallen durch den Zusatz eines Arkanums den Anschein des Goldes zu geben. Groß war das Erstaunen aller Anwesenden; einige gebärdeten sich wie Berauschte, nur der Kronprinz schüttelte den Kopf, indem er mit Recht irgend eine Täuschung vermutete.

Man ließ sich in Unterhandlungen mit dem Italiener ein, doch dieser wollte sein Arkanum nicht an den Staat verkaufen, und da er sonst nichts in Berlin erreichte, fuhr er wieder ab mit großem Pomp. Doch das ließ sehr vielen angesehenen Hofherren, die sich zu bereichern hofften, keine Ruhe, sie baten den König, ihn zurückzurufen. Allein Caëtano verlangte Ersatz aller Reisekosten und 50 000 Thaler für ein gewisses Quantum des Arkanums. Die Forderungen wurden bewilligt; der Graf hielt wieder den großartigsten Einzug; aber es vergingen Monate, er lieferte nichts, auch von auswärtigen Höfen wurde er an Erfüllung seiner Verpflichtungen gemahnt. Plötzlich verschwand er und ging nach Stettin; man machte ihm Vorhaltungen; er ließ sich bewegen, zum drittenmal nach Berlin zurückzukehren. Der König hatte ihn zum Generalmajor der Artillerie ernannt und ihm sein Bildnis in Brillanten geschenkt. Doch er lieferte weder Gold noch Silber. Abermals entfloh er, und zwar diesmal nach Hamburg; jetzt wurde er zwangsweise nach Küstrin gebracht. Noch einmal ließ sich der König erbitten und logierte ihn in dem von Danckelmann herrührenden Fürstenhause auf dem Friedrichswerder ein. Doch wiederum entfloh Caëtano, nach Frankfurt; jetzt war die Gnade des Königs erschöpft; er wurde dort verhaftet, nach Küstrin gebracht und von dem Gericht zum Tode verurteilt. Es wurde ein Galgen errichtet, dessen Balken mit Flittergold beklebt waren. Vor der Hinrichtung mußte der Schwindler seine Kleidung ablegen und ein aus Goldpapier gefertigtes Gewand anziehen.

Ueber die früheren Lebensschicksale des Abenteurers wurde später genügendes Licht verbreitet. Er war der Sohn eines Bauern in Petrabianca bei Neapel und soll im Jahre 1695 das Geheimnis der angeblichen Metallverwandlung erlernt haben; in diesem Jahre tauchte er wenigstens unter dem Namen eines Grafen Ruggiero in Madrid auf. Seine Künste machten ein derartiges Aufsehen, daß er nach München an den Hof des Kurfürsten Max Emanuel berufen wurde. Er versprach hier viel, leistete aber nichts, und nachdem er gegen 60 000 Gulden durchgebracht hatte, zum Staatsrat und selbst Feldmarschall ernannt worden war, wurde er auf Schloß Grünwald in Oberbayern gefangen gehalten, von wo er 1704 nach Wien entfloh. Hier versuchte er mit Kaiser Leopold dasselbe Spiel zu treiben, wandte sich aber bereits im

Jahre 1705 nach Berlin, wo sein Schicksal besiegelt wurde.


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0192.jpg&oldid=- (Version vom 30.6.2017)