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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

mein Heimatland, er erleuchte auch meines lieben Mannes Geist, daß sein reiner Wille den besten Weg trifft! Wie gerne hätte ich ihm zugeredet, daß er aus der Sitzung bleiben und diese vielleicht dadurch unvollzählig machen solle! Aber ich durfte es mir nicht erlauben, ich habe so oft erfahren, daß er richtig geurtheilt, wenn die Mehrzahl gegen ihn sprach.

8. Regentschaft. Und mein Mann ist immer noch in dieser Versammlung, die diese Beschlüsse faßt! .. In der Nationalversammlung sind wenige Stimmen zur Beschlußfassung entscheidend. Ach! da nicht sagen zu dürfen: Uhland, gehe nicht hin! Gott, wie schwer!

15… Mein armer Mann unter diesen Männern, die er nicht achtet, die seiner engeren Heimat verderblich sind und die er doch nicht lassen kann, weil er das Parlament nicht lassen will!

18. Heute wurde nun doch der Schlag auf die Nationalversammlung geführt. Mein Uhland wollte diesem letzten tragischen Act sich nicht entziehen. .. So endete die erste Nationalversammlung der Deutschen. Sie fiel durch eigene und fremde Schuld, durch Mangel an Muth der einen Hälfte, durch Leichtsinn und Uebermuth der andern.

*  *  *

Hier endet das handschriftliche Tagebuch der treuen Lebensgefährtin Uhlands. Er selbst hat, wie sie in der gedruckten Biographie berichtet, über seine Teilnahme am politischen Leben später einmal die den ganzen Mann kennzeichnenden Worte geäußert: „Es lag nie in meinem Wunsche, eine Stellung als Leiter einer Partei einzunehmen, überhaupt beteiligte ich mich an politischen Verhandlungen nur, weil ich es für Pflicht hielt, mich nicht zu entziehen, wenn ich dazu berufen wurde. Ich wollte aber immer nur als gemeiner Soldat dienen und ließ die hervorragenden Stellen gern den anderen, die sich dazu drängten. Ohne Rückhalt mich aussprechen, wie meine Ueberzeugung gebot, das wollte ich in der Ständeversammlung wie im Parlament. In letzterem hat es leider an den Offizieren gefehlt.“ J. Hartmann.     




Die Brockenbahn.

Seit alten Zeiten bildet der Brocken einen Anziehungspunkt für wanderlustige Menschen, die von stolzer Bergeshöhe gern in die weiten Lande hinausschauen mögen. Noch wußte man nichts von einem alpinen Sport, da waren im Norden Deutschlands Brockenreisen bereits im Schwange. Fürsten zogen zum Brockenkulm hinauf mit großem Gefolge und Schüler unternahmen dorthin Ferienreisen. Davon berichten die Chroniken aus den Jahren 1591, 1634 und 1649. Vor etwa zweihundert Jahren besuchte Zar Peter der Große den Brocken, und im Jahre 1736 ließ Graf Christoph Ernst zu Stolberg-Wernigerode ein „Wolkenhäuschen“ aus Stein zum Schutze der Brockenbesteiger errichten – eine der ältesten Schutzhütten für Bergtouristen, die noch heute erhalten ist. Die Zahl der Brockengäste stieg von Jahr zu Jahr; von 1753 datiert das älteste Brockenstammbuch, und schon zu Anfang dieses Jahrhunderts besuchten den Brocken jährlich 1000 bis 2000 Personen. In den letzten Jahren konnte die Zahl der Brockengäste nur geschätzt werden – sie belief sich, wie Sachkundige behaupten, auf 40000 bis 50000.

Es geschah viel, um den Zugang zu dem höchsten Berggipfel Norddeutschlands zu erleichtern. Angenehme Fußwege und gute Fahrstraßen wurden angelegt; auf dem Kulm wurde ein Hotel erbaut und ein Aussichtsturm errichtet, aber es währte lange, bis man in unserm Zeitalter der Bergbahnen bis zur Spitze des Brockens den eisernen Schienenstrang legte. Nun ist auch das geschehen. Durch stille Tannenwälder, über wild romantische Felsgegenden und weite Torfmoore klimmt endlich das Dampfroß bis zur Zinne des Blocksberges empor. – Schon seit langen Jahren war die Schaffung einer Harz-Querbahn, welche den Nord- und Südharz miteinander verbände, ein sehnlicher Wunsch der Harzbewohner und – der deutschen Heerführer. Moltke hat aus strategischen Gründen eine solche Bahn befürwortet. Erst im Jahre 1896 kam aber eine Einigung der beteiligten Staaten und Gemeinden zu stande, eine Gesellschaft wurde gegründet, welche den Bau einer Harzbahn von Wernigerode nach Nordhausen übernahm und an diese als eine Seitenlinie die Brockenbahn anschloß. So steil wie auf den Rigi oder den Pilatus braucht hier das Dampfroß nicht emporzukeuchen, die größten Steigungen der Linie betragen nur 1 : 30; man konnte darum ohne eine Zahnradbahn auskommen und die Linie als eine einfache Adhäsionsbahn einrichten. Immerhin hatten die Ingenieure viele Terrainschwierigkeiten zu überwinden. Kehren, Schleifen, Brücken und Dämme mußten angebracht werden; besondere Schwierigkeiten bot die Durchquernng des Brockenmoores; man mußte gewaltige Massen Torf bis zu 5 m Tiefe ausheben, um dem Bahnkörper festen Grund zu schaffen. Der Bau gelang glücklich. Bereits zu Weihnachten vorigen Jahres dampfte der erste Zug nach der Brockenspitze und seitdem sind noch verschiedene Fahrten veranstaltet worden. Die Eröffnung des regelrechten Betriebs findet am 15. Mai statt.

 Kurve im Rennethal.

 Blick in das Drengethal.
Rückblick auf den Brocken vom Eckerloch aus. 

Tausende und aber Tausende werden im kommenden Sommer die neue Bahn benutzen und den Ausflug zu der luftigen Höhe nicht bereuen; denn die Fahrt ist überaus reich an mannigfaltigen, stets wechselnden und überraschenden Aussichten. Es sei uns gestattet, ihren Verlauf zu schildern.

Wernigerode mit seinem herrlichen Schloß liegt bald hinter uns.

Die Bahnlinie geht hinter den Gärten des langgestreckten Hasserode hinauf in das Rennethal, wo sie an der Station „Steinerne Renne“ eine sehr scharfe Kurve beschreibt. Dann beginnt die eigentliche Steigung und der Zug fährt aus dem Renne- in das Drenge-, dann in das Thumkuhlen- und wiederum durch einen Tunnel in das Drengethal. Links sieht man über die Wipfel der Bäume auf die tief unten sich hinziehende Chaussee und auf die steilen, tannenstarrenden Berglehnen gegenüber, rechts blickt man in kleine, dunkelbeschattete Seitenthäler, aus denen murmelnd und plätschernd die Gebirgswasser fließen, welche die Bahn auf gewölbten Brücken überschreitet. Ab und zu öffnet sich auch ein

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 321. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0321.jpg&oldid=- (Version vom 3.12.2023)