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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Die Pflege des Pferdes macht dem Bauer keine sonderliche Mühe, und Striegel sowie Bürste finden einen schlechten Absatz beim Krämer. Ebenso fällt es dem Hössen nicht im Traume ein, die Fesseln auszuscheren, Schwanz und Mähne auszukämmen, die Nüstern auszuwaschen oder sonstige für die Pflege eines Pferdes nützliche Verrichtungen zu unternehmen. Ein bekannter Hösse sprengte einmal in Carriere bei meinem Hause vor, um mir einen Besuch zu machen, hauptsächlich Wohl, um mir einige Krüge Tiroler abzutrinken. Dem Pferde flogen die Flanken von der gehabten Anstrengung, und als der Bauer mit einem Satz absprang, mahnte ich: „A Deckn werst’n doch überwerfn, dei’m Gaul?“ Da schaute er verwundert auf und sagte lakonisch: „Wirft miar oaner a Deckn über?“

Als man zur Ergänzung der Tiroler Landwehr berittene Schützen aufstellte, war die Meinung verbreitet, das beste Rekrutenmaterial hierfür dürfte unter den Hössen zu finden sein.

Das war jedoch nicht der Fall. Diesen Naturreitern war selbst mit der größten Mühe nicht ein halbwegs tauglicher militärischer Sitz beizubringen und die heimatgewohnte Haltung auszumerzen. Der Hösse sitzt fast auf dem Halse seines Pferdes, mit hochgezogenen Knien, sogenanntem Wadenschluß, und gekrümmtem Rücken.

Das Haflinger Pferd wird als Reittier oder für leichte Bespannung hochgeschätzt und gerne gekauft. Es gehört aber schon ein geübtes Auge dazu, die Vorzüge eines solchen Struwwelpeters unter den Pferden zu erkennen.

Auf die Teilnahme dieser Hochlandbewohner hatte man auch hauptsächlich gerechnet, als Heuer im Kurorte Meran ein Bauern-Pferdewettrennen für Sonntag nach Ostern ausgeschrieben wurde. Die Sportsleute werden gelächelt haben beim Durchlesen der Rennbedingungen: „Vollständige Freiheit im Sattel und Zaum. Anmeldetermin bis eine Stunde vor Beginn des Rennens. Die Pferde müssen im Besitze von Bauern sein, von ihnen selbst, deren Söhnen oder Knechten geritten werden.“ Diese Vorschriften waren notwendig, um die Leute heranzuziehen.

Beim Sulfner in Hafling war vorher eine Zusammenkunft der dortigen Pferdebesitzer, und dort fand eine Besprechung des ausgeschriebenen Rennens statt. Die getäfelte Stube war voll von qualmenden und rauchenden Männern, so daß die Tochter des Bauern, mit der ich eintrat, erschrocken zurückprallte und lachend sagte: „Heilige Muater Anna, thut’s denn Menschenfleisch selchen (räuchern) da herinnen?“

Fast mitten in der Stube saß der angesehenste Bauer und teilte seine Weisungen aus: „Alsdann nit zu viel Heu füttert’s in der Woch’n, dafür a zwei Maßl Haber. Nachher schaut’s drauf, daß die Viecher an Fried haben und nit die Buaben in ganz’n Tag drauf ummer hängen. Jedweder reitet sein Gaul Vormittag und nach’m Avemaria-Läuten auf z’ Nacht dreimal linksum auf der Gmoanweide. Laßt’s den Roßnen Luft. Die Zügl, oder die Strick, was halt einer hat, in die zwoa Fäust, die Fäust außi bis auf’n Hals vom Roß und in Buggl stellt's auf, wia bei an Hagelwetter. Sitz’n müaßt’s a sou woach, als hätt’s a purzelanenes Taller unter. A sou hat’s Roß a Hilf von sei’m Reiter.

Und will enk a Stadtherr an Rat geben, seid’s nit grob. Nit annehmen den Rat, aber a nit grob sein. Höchstens kann einer sag’n: Esel, kann er sag’n, i bin a Haflinger und reiten kann i selber. Aber lei alleweil höfli.

Und anmelden thuan mir uns all mitnand. Daß mir koaner a Anmeldung schreibt. ’s Gschriebene ist Advokat’nfuater! Merkt’s enk selb!“

Am Sonntag nach Ostern ging das Rennen vor sich. Nebst den Bauern aus den Seitenthälern mit ihren meist größeren Pferden rückten über fünfzig Hössen an. „Sattel und Zaum vollste Freiheit,“ das konnte man auf den ersten Blick beobachten. Eine ungeheure Menschenmenge umsäumte den Rennplatz, Menschen, man kann dies in einem Kurorte mit Fug und Recht sagen: aus aller Welt.

Die Bauern fügten sich bereitwilligst den Anordnungen der Starter, und kaum erklang das Zeichen, flogen, Feld um Feld, immer zehn Reiter die Bahn entlang. Wie die Wilden rasten die Leute dahin. Man meinte, es sei fast unmöglich, daß nicht da und dort ein Stürzender überritten werde; aber ohne nennenswerten Unfall verlief das Rennen, und als beim Meisterschaftsrennen um den Hauptpreis ein Haflinger siegte, kannte der Jubel keine Grenzen.

Noch spät in der Nacht konnte man auf der steilen Bergstraße nach „Kathrein in der Scherle“ die brennenden Kienfackeln der Heimreitenden beobachten, und jeder von ihnen freut sich heute schon auf das Rennen im nächsten Jahre.





Das Schweigen im Walde.
Roman von Ludwig Ganghofer.
(Schluß.)



Unter ziehenden Nebeln graute der Morgen über dem Gaisthal, über den Tillfußer Wäldern und Almgehängen.

Doch lange vor dem ersten Grau, schon um drei Uhr morgens, war im Försterhäuschen ein Licht lebendig geworden. Als Praxmaler, um seinen Herren zu wecken, mit der Laterne zum Jagdhaus hinaufging, sah er, daß im Schlafzimmer des Fürsten schon Licht war, das mit flimmerndem Schein in die vom Nebel durchwobene Dämmerung hinausleuchtete.

Droben pochte er an die Thüre.

„Duhrlaucht?“

„Ich danke, ja, ich bin schon auf!“ klang es mit heller Stimme aus dem Zimmer.

„Schlecht schaut’s aus mit’m Wetter!“ berichtete Pepperl durch die geschlossene Thüre. „Nebel haben wir. Ich mein’, Sie sollten heut daheimbleiben, Duhrlaucht.“

„Nein, nein, ich gehe! Mag das Jagdwetter sein, wie es will!“

„No ja, wenn S’ meinen! Aber ein’ Gamsbock bringen S’ heut’ kein’ net heim … heut’ marschieren S’ umsunst!“

Ein frohes Lachen war die Antwort.

„Nebel hin oder her … den freut heut’ ’s Leben!“ dachte Pepperl, während er die Treppe hinunterging. „Und mich freut’s auch!“

Drunten in der Hütte, um den Förster nicht aus dem besten Schlummer aufzustören, setzte er möglichst geräuschlos die Wasserpfanne übers Feuer. Bis das Wasser kochen würde, blieb ihm genügende Zeit, ein „Sprüngerl“ in die Sennhütte hinunterzumachen. Da kam er gerade recht, um seinem Mädel den Schlaf aus den Augen zu küssen.

Lachend streckte sich Burgi in ihrem Heubett und schlang die Arme um den Hals des Jägers. „Du … so ein Bußl beim Aufwachen … das ist fein was Gut’s!“

„Halt ja! Aber jetzt gieb nur g’schwind noch eins her zum B’hüt-dich-Gott! Auf'n Abend hast mich wieder!“

Es dauerte lang, dieses „g’schwinde Bußl“ – so lange, daß das Wasser, als Pepperl wieder in die Hütte kam, schon kochend aus der Pfanne sprudelte. –

Der helle Morgen begann, und durch die grauen, im Fluge sich klüftenden Nebel schimmerte ein armseliges Stücklein des blauen Himmels, als Ettingen mit raschem Gang vom Jagdhaus herunterkam, auf dem Hut einen blühenden Zweig der Edelrose. Pepperl stand schon wegfertig mit der Büchse vor seiner Hütte. Einem Menschen, der froh und glücklich ist, fällt nur der fremde Kummer auf, doch nicht so leicht die Freude des anderen – denn Freude erscheint ihm als das Selbstverständliche. Als aber Pepperl seinen Herren sah, fiel ihm doch der Glanz dieser Augen auf, so daß er dachte: „Teufi, Teufi, der muß sich heut’ ein’ guten Birschgang derwarten, weil er gar so gottsfreudig dreinschaut! Und den Bruch hat er schon aufs Hütl g’steckt, noch eh, daß er g’schossen hat … Teufi, Teufi, da kriegen wir g’wiß nix … da hab’ ich ein’ Aberglauben drauf!“ Dem Jäger ging’s wie ein Schatten über die eigene Freude. Er hätte so gern dazu geholfen, daß sich die frohe Jägerhoffnung seines

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 374. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0374.jpg&oldid=- (Version vom 15.8.2023)