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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

nächsten Augenblick fast wieder zurückgesunken, da die Flurthür sich öffnete und Hartwig Hoven erschien, Hand in Hand mit Gertrud.

„Verzeihen Sie, verehrte Frau,“ sagte er höflich grüßend, „ich kam eben von der Reise zurück und hatte den Vorzug, zufällig einige Worte von Ihnen zu vernehmen, die für mich – und, was ich eigentlich zuerst sagen sollte, für Ihre Fraulein Tochter von höchstem Werte sind. Gestatten Sie mir daher, sogleich jetzt – wenngleich nicht im entsprechenden Besuchskleide – Sie um die Hand Ihrer Fräulein Tochter zu bitten! Denn ich traue mir zu, den Bedingungen, die Sie an Ihren zukünftigen Eidam stellen, zu entsprechen, und Gertrud traut es mir auch zu!“

„Ja … aber …“ sagte Frau Marie und starrte ihn an, während Gertrud sich an sie lehnte und liebkosend ihre Hand streichelte. Fräulein Alma Hoven aber, die mit einem gewissen Wohlgefallen der Rede ihres Neffen gefolgt war, wandte sich jetzt lächelnd zu Frau Marie: „Da sehen Sie, meine Liebe, was einer Mutter alles passieren kann!“ sagte sie.

Diese Worte weckten Frau Marie aus ihrer Bestürzung. „Aber, mein liebes Fräulein,“ sagte sie fest, „ist das denn so etwas Schreckliches? Sie werden gewiß die Erste sein, die mir zu meinem Schwiegersohn Glück wünscht – und was mich angeht, ich bin ja sehr überrascht, und wie das alles gekommen ist, muß ich wohl später noch fragen – aber wenn es denn sein soll, Herr Hoven, gebe ich Ihnen gerne meinen Segen und mein Kind, Sie werden es gewiß glücklich machen!“ – – –
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So hatte sich Gertruds Befürchtung, die sie am ersten Abend nach Fräulein Hovens Einzug nur unter Thränen einschlafen ließ, doch erfüllt: Hartwig bezog seine Wohnung nicht wieder. Statt seiner übernahm Fräulein Alma beide Zimmer als ständige Mieterin.

Dies entsprach einem kurzen Vortrag, mit dem das alte Fräulein noch am Abend der Verlobung sich die wärmste Dankbarkeit des jungen Paares sicherte. „Um eins bitte ich Sie, liebe Freundin,“ sagte sie zu Frau Marie, „reden Sie den beiden nicht zu, ihren jungen Ehestand hier in einem Hause mit Ihnen einzurichten! Das hab’ ich oft gesehen, und es hat noch nie gut gethan. Und schließlich, was hätten Sie davon? Hartwig wird jetzt avancieren, er wird versetzt werden, wer weiß wie bald; dann hätten Sie die Trennung doch. Besser, man gewöhnt sich daran beizeiten. So lange die beiden hier in der Stadt bleiben, werden sie die Mutter und die Tante doch noch gerade oft genug bei sich sehen. Aber lassen Sie uns beide beisammen bleiben! Ich bin des öden Reisens nachgerade satt; ich brauche mehr Ruhe, und Ihnen kann ein bißchen mehr Anregung – na, sagen wir Aufregung nichts schaden. Also, wenn es Ihnen recht ist – schlagen Sie ein! Am Ende kommen wir wohl miteinander aus.“

„Es wird denn wohl nichts anderes übrig bleiben,“ sagte Frau Marie mit einem leichten Seufzer und legte ihre rundliche Rechte zwischen die überschlanken Finger des Fräuleins.

Einige Tage nach der Verlobung trat das junge Paar die übliche Besuchs- und Vorstellungsrunde an. Obenan auf der Liste stand natürlich Hartwigs Vorgesetzter. Der Postrat wünschte mit einer Herzlichkeit Glück, die bei dem strengen, nur seinem Dienste lebenden Manne selten war und das beste Zeugnis gab, wie sehr er Hartwig schätzte; Thea war „kolossal entzückt“. Uebrigens war noch ein Besuch dort, ein wohlbeleibter, soldatisch dreinschauender Mann in grüngrauer Uniform, der als Oberförster vorgestellt wurde. Während der Postrat vor dem Scheiden noch einige Worte mit Hartwig allein sprach, faßte Thea Gertruds Arm und zog sie ins Nebenzimmer. „Das geht ja jetzt fix mit dem Verloben,“ flüsterte sie. „Heute früh hat mir schon wieder eine neue Braut ihr Glück verkündet. Du wirst die Anzeige wohl zu Hause finden; und rate mal, wer? Die Gudula Wöllchen! Sie heiratet einen Kaufmann – Weinhändler; er wird sich hier niederlassen, vermutlich übernehmen sie nebenbei auch die Weinstube. Ein sehr netter Mensch übrigens, ich kenne ihn; er heißt Friedrich Carl Meißner.“

„Meißner – Meißner,“ wiederholte Gertrud nachsinnend, „wo habe ich doch den Namen gehört? Ach so – erzähltest du mir nicht neulich wegen der Briefe –“

„Pst!“ machte Thea. „Ja, das ist er – durch die Geschichte hat er überhaupt die Gudula kennengelernt – also eigentlich durch mich. Kolossal, was? Sag’ mal – wie hat’s denn mit euch eigentlich angefangen?“

„Ach,“ sagte Getrud, „eigentlich auch so!“ Und um weiteren Fragen vorzubeugen, streichelte sie dem Pusselchen freundlich die blonden Stirnlöckchen zurück und fragte: „Wie steht’s denn mit dir, Theachen?“

Thea errötete und winkte mit dem Kopfe nach der halboffenen Thür, durch welche eben der breite Rücken des Oberförsters sichtbar wurde.

„Ei!“ sagte Gertrud verwundert.

Thea nickte eifrig und verschämt. „Diesmal ist’s ernst,“ sagte sie … „Ich habe ihn schon früher auf dem Lande kennengelernt, weißt du … und es ist ein vortrefflicher Mensch. Papa kennt ihn schon lange – sie sind ja nur zwölf Jahre auseinander.“

Das sagte sie so treuherzig und harmlos, daß Gertrud sich nicht enthalten konnte, sie herzlich zu küssen. – „Weißt du,“ sagte sie zu ihrem Verlobten, als sie ihm im Wagen die Neuigkeit erzählt hatte, „der liebe Gott bringt doch merkwürdige Paare zusammen. Von uns will ich da nicht reden – aber die Freundschaft zwischen Mama und Tante Alma – und nun Thea Siebold mit diesem Oberförster! Er könnte ja beinahe ihr Vater sein!“

„In etwas wird er ihn wohl immer bei ihr zu vertreten haben,“ erwiderte Hartwig. „Und übrigens, warum sollen sie nicht zusammen passen? Ich kenne das Forsthaus, die Gegend ist romantisch genug, und es ist immer ungefährlicher, mit den Bäumen und Tieren des Waldes romantisch zu reden als mit den Menschen. Und wenn sie ihm zuweilen auch etwas zu poetisch vorredet, so kann er es als Ersatz für das Jägerlatein nehmen, für das er so wenig Talent hat. Denn er ist als der nüchternste und bravste Mann auf zehn Meilen in der Runde berühmt. Sie werden sich ausgleichen müssen. Das aber scheint mir kein Unglück, vielmehr eine schöne Aufgabe für jedes Paar und, wenn sie gelingt, die sicherste Gewähr für sein Glück.“

„Du,“ sagte Gertrud, „dann sind Mama und Tante Alma doch eigentlich ein sehr glückliches Paar. Denn wie haben die sich ausgeglichen!“



Blätter & Blüten



Das Goethe-Denkmal und das Kaiser Wilhelm-Denkmal für Straßburg. Für zwei Denkmäler wird gegenwärtig in Deutschland gesammelt, denen in ganz besonderem Grade eine nationale Bedeutung zukommt. Beide sind bestimmt, die Zugehörigkeit von Elsaß-Lothringen zum deutschen Vaterlande zu monumentalem Ausdruck zu bringen, beide sollen sich nach ihrer Vollendung in Straßburg, der schönen Hauptstadt unseres Reickslands, erheben.

Zum Plane eines Goethe-Denkmals in Straßburg hat der Hinblick auf den Goethe-Gedenktag angeregt, den in diesem Jahr der 28. August bringt, den 150. Geburtstag des Dichters. Und Straßburg hat ein ganz besonderes Anrecht, Goethe in dieser Weise zu feiern! Die Universität nennt ihn ihren berühmtesten Studenten. Das Münster ist von ihm zuerst wieder als ein Denkmal wahrer und großer Kunst gepriesen worden. In Straßburg hat Goethe die Vollkraft seiner Jugend erlangt. Hier erhielt sein Genie jene Richtung auf deutsche Art und Kunst, kraft deren er zum Schöpfer des „Götz“ und des „Faust“ wurde, welch letzteren er hier plante. Damals gehörte Straßburg zu Frankreich. Der Bildungsstrom, in dem sich Goethes Genius hier erfrischte, war dennoch deutschen Wesens. Denn auch unter der Franzosenherrschaft war die einstige Freie Reichsstadt ein Hort deutschen Geistes geblieben. Auch daran wird das Goethe-Denkmal mahnen, wenn es in nicht zu ferner Zeit von seinem Standort zum Rhein herübergrüßt. Das Zustandekommen desselben

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 450. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0450.jpg&oldid=- (Version vom 8.3.2021)