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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Schwäche. Nun denn ja, es hat mich gereizt, trotz alledem, ich will’s nicht leugnen! Aber jetzt, wo wir uns trennen, werden Sie den albernen Menschen doch wohl endlich fortschicken. Auf Ihrer Reise nach Aegypten ist er doch überflüssig, sollte ich meinen!“

Dies Geständnis der Eifersucht brach grollend, fast wider Willen aus seinem Innern hervor, aber es war doch immer ein Geständnis und es verfehlte nicht seinen Eindruck auf die junge Frau, deren Antlitz sich plötzlich tief und glühend färbte. Ihre Stimme bebte, als sie unsicher und halblaut sagte: „Was kümmert Sie denn das, wenn Sie in Brankenberg sind? Da liegen ja Länder und Meere zwischen uns.“

„Müssen Sie denn nach Aegypten, Elfriede?“ Es klang ein alter, lang’ nicht gehörter Ton auf in der Frage, in dem Namen, den er zum erstenmal wieder aussprach. „Ihr Vater bringt Ihnen ein Opfer mit dieser Reise, er sehnt sich fortwährend nach seinem Lindenhof. Es steht ja nur bei Ihnen, die Orientfahrt aufzugeben und – heimzukehren.“

Elfriede antwortete nicht, sie fühlte, welches Opfer hier verlangt wurde; nicht das Opfer einer Reise, die ihr höchst gleichgültig war: der Stolz, der Starrsinn in ihr sollten sich beugen. Sie kämpfte augenscheinlich mit sich selber. Ein gutes Wort, eine Bitte hätte in diesem Augenblick alles entschieden, aber Robert Adlau verstand es nun einmal nicht, zu bitten, am wenigsten da, wo er sich im Rechte fühlte. Ihr Zögern reizte ihn aufs äußerste.

„Werden Sie bleiben? Werden Sie den zudringlichen Burschen ein für allemal verabschieden?“ fragte er, beinahe drohend, und der herrische Ton rief den ganzen Trotz der jungen Frau wach. Sie richtete sich beleidigt empor.

„Ich weiche keinem Befehl!“

„Und ich verlange keinen Gnadenbeweis, sondern eine Entscheidung! Gehen Sie nach Aegypten? Ja oder Nein?“

„Ja!“ kam es kurz und hart von Elfriedens Lippen.

In den tief verfinsterten Zügen Adlaus zuckte es, ob vor Zorn oder Schmerz, das ließ sich nicht entscheiden, denn schon in der nächsten Minute verneigte er sich mit eisiger Kälte.

„So wünsche ich Ihnen glückliche Reise, Frau Baronin – leben Sie wohl!“

Er ging, ohne sich noch einmal umzuwenden, sonst hätte er es vielleicht gesehen, wie die junge Frau eine Bewegung machte, als wollte sie ihm nacheilen – zu spät, denn er verschwand bereits hinter der Mauer.

Sein Schritt war längst verhallt und Elfriede stand noch immer bleich und regungslos an dem weinumrankten Pfeiler und schaute hinaus in die Landschaft. Aber sie sah nichts von all der lachenden, sonnigen Schönheit da draußen. Endlich wandte sie sich langsam zum Gehen, ihr Blick glitt noch einmal mit dem alten müden Ausdruck durch das verlassene Gemäuer. Ringsum Verödung und Verfall – und dort der versiegende Quell!




Der Dampfer, der von Alexandrien kam und für einige Stunden in Korfu anlegte, war rechtzeitig eingelaufen und die Reisenden, die ihn zu der Fahrt nach Triest benutzen wollten, rüsteten sich, an Bord zu gehen. Die Träger schleppten von allen Seiten Gepäck herbei, während ein Teil der Boote bereits abstieß und nach dem Schiffe steuerte, das ziemlich weit draußen im Hafen lag.

Geheimrat Rottenstein kam aus seinem Hotel und schlenderte langsam und anscheinend ganz absichtslos durch das Gewühl am Ufer. In Wirklichkeit war er auf dem Wege nach dem Rahnsdorfschen Hause, hatte das aber weislich seiner Frau Tochter verschwiegen, sonst hätte es vermutlich wieder einen Sturm gegeben wie vorgestern. Der alte Herr befand sich in sehr niedergedrückter Stimmung, denn er konnte sich nicht verhehlen, daß sein „Eingreifen“, auf das er so stolz gewesen, kläglich gescheitert war. Zwar wußte er nicht, was eigentlich zwischen Elfriede und Adlau geschehen war, und hatte auch nicht gewagt, danach zu fragen, aber die Sache war zu Ende, ganz zu Ende, das stand fest.

Der arme Geheimrat war aus dem süßen Schlummer, dem er sich damals unter den Oliven so behaglich hingegeben hatte, jäh und unliebsam geweckt worden, zunächst durch den Sonnenschirm, der seinen Halt in den Zweigen verlor und ihm gerade auf die Nase fiel. Herr Wellborn, der ebenso jäh in seiner Vorlesung unterbrochen wurde, sprang erschrocken auf und warf dabei den Tisch mit Krug und Gläsern um, während er sein kostbares Wetterglas noch glücklich auffing und vor dem Fall bewahrte. Da erschien auf einmal Frau von Wilkow ganz allein, sehr bleich und in einer Aufregung, die sie sich vergebens zu verbergen bemühte.

Sie hatte sich, ihrer Erklärung nach, beim Zeichnen da oben, in dem „abscheulichen Gemäuer“, einen heftigen Kopfschmerz zugezogen und wollte sofort aufbrechen, da sie ihre Migräne im Anzug fühlte. Die Frage ihres Vaters, wo denn Robert bleibe, wurde mit der kurzen Bemerkung abgefertigt, Herr Adlau mache noch eine Kletterpartie in die Berge hinauf und komme später nach, er werde die Gesellschaft wohl noch einholen. Wellborn eilte in das Haus, um die Maultiere zu bestellen, und zehn Minuten später brach man wirklich auf.

Der Rückweg war freilich sehr ungemütlich. Elfriede sprach überhaupt gar nicht, der Geheimrat nur das Notwendigste, so mußte Ferdinand Wellborn denn allein die Kosten der Unterhaltung tragen, was er auch mit Vergnügen übernahm. Er hatte natürlich nichts bemerkt, glaubte an den Kopfschmerz und brachte sechs oder acht verschiedene Mittel dagegen in Vorschlag. Schließlich kam er wieder bei seinem Lieblingsthema an und erklärte, die Unheilsatmosphäre, die sein Wetterglas verkünde, sei allein schuld an dem Kopfschmerz der gnädigen Frau.

Adlau hatte die Gesellschaft natürlich nicht eingeholt, überhaupt nichts weiter von sich hören lassen. Er hatte nur heute morgen dem Geheimrat seine Karte mit einigen Abschiedsworten gesandt, eine Empfehlung an Frau von Wilkow war nicht beigefügt.

Der alte Herr wußte nun Bescheid, er hatte es vorausgesehen, aber so fremd und kalt wollte er doch nicht von dem Manne scheiden, den er am liebsten Sohn genannt hätte, er wollte ihm wenigstens persönlich Lebewohl sagen und war jetzt gerade auf dem Wege zu ihm.

Da stieß er natürlich wieder auf den unvermeidlichen Wellborn, der ein eigenes Talent besaß, gerade da aufzutauchen, wo er am unbequemsten war, und in solchen Fällen war er überhaupt nicht wieder loszuwerden. Er blieb auch heute dieser freundlichen Gewohnheit treu und hing sich sofort an den Geheimrat, dem er nicht von der Seite wich. Dieser machte zwar einige krampfhafte Versuche, ihn abzuschütteln, vergebens, Ferdinand blieb und ließ vergnüglich das Mühlwerk seiner Rede klappern.

Er erkundigte sich zunächst nach dem Befinden der gnädigen Frau, die gestern leider für ihn unsichtbar geblieben war. Er hatte auf seine Anfragen nur die betrübende Thatsache erfahren, daß die Migräne noch immer anhalte. Dann kam er ganz unvermittelt auf den Dampfer zu sprechen, der draußen im Hafen lag, und mit dem auch Herr Adlau abreisen wolle. Dieser Herr aus Amerika habe sich vorgestern doch ganz merkwürdig benommen. So ohne weiteres zurückzubleiben und die Gesellschaft im Stiche zu lassen! Man merke es, daß ihm der Hinterwäldler noch im Blute stecke. Ob er denn wenigstens einen Abschiedsbesuch gemacht habe?

„Nein!“ rief der Geheimrat, der jetzt den letzten Rest seiner Geduld verlor. „Aber ich habe hier noch einige Einkäufe zu machen, und Sie sollten sich bei meiner Tochter melden lassen. Sie befindet sich heute besser, viel besser, ich glaube, sie nimmt Besuch an.“

Dies Mittel that endlich die gewünschte Wirkung, der junge Mann machte schleunigst Kehrt und wandte sich nach eiliger Verabschiedung zu dem Hotel zurück, während Rottenstein ebenso eilig nach dem Rahnsdorfschen Hause steuerte, das er denn auch ohne weiteren Zwischenfall erreichte.

Er kam gerade zur rechten Zeit. Adlau war eben im Begriff, von den Seinigen Abschied zu nehmen, und über seine heute sehr düsteren Züge flog der Ausdruck einer freudigen Überraschung, als er den alten Herrn erblickte, er hatte ein Lebewohl von dieser Seite wohl nicht erwartet. Auch der Konsul schien verstimmt, er sagte nach der ersten Begrüßung etwas ärgerlich:

„Das trifft sich heute sehr ungeschickt, jetzt können wir

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 507. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0507.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2021)