Seite:Die Gartenlaube (1899) 0598.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

ist jedoch zu bedenken, daß der Esel auch Abfälle wie Kartoffelschalen, Grünzeug, altes Brot und ähnliches mit Vorliebe nimmt. Nur sauber muß das Futter und vor allem auch das Trinkwasser sein. Sauberkeit ist auch in der äußeren Haltung des Esels nötig. Er muß, wenn auch nicht täglich wie das Pferd, so doch zwei- bis dreimal wöchentlich geputzt und gestriegelt werden. Aber auch der Hund bedarf, wenn er nicht Ungeziefer haben und gesund und seuchenfrei bleiben soll, der Körperpflege. Die Wartung des Esels ist einfacher als die des Hundes. Während das Futter für diese zubereitet werden muß, brauchen dem Esel Heu, Hafer und Häcksel nur eingeschüttet zu werden. Auch die allgemach sprichwörtlich gewordene Dummheit des Esels wird von der neueren Wissenschaft bestritten. Hachet-Souplet stellt in seinem unlängst erschienenen Buche „Dressur der Tiere“ die Intelligenz des Esels sogar höher als die des Pferdes. Er ist in der That, wenn er freundlich behandelt wird, willig und gutartig, läßt sich leicht einfahren und wird störrisch und bösartig nur bei rohen Mißhandlungen. Nicht zu vergessen ist, daß auch der Dung des Esels noch eine Einnahmequelle für den Besitzer bildet. Eselsmilch aber, die heute zu Heilzwecken vielfach Verwendung findet, bringt fürs Liter 3 bis 4 Mark!

Der Deutsche Tierschutzverein in Berlin ist nun in dankenswerter Weise damit vorgegangen, den Ankauf von Eseln zu erleichtern. Er hat bis jetzt vier größere Transporte kommen lassen, die schlank abgesetzt sind, zum Teil außerhalb, zum Teil in der Reichshauptstadt. Schon mancher, der bis dahin mit dem Hunde gefahren war, hat sich sehr befriedigt über das neue Zugtier ausgesprochen. Die Nachfrage wächst stetig, im Tierdepot an der Stralauerbrücke, Stadtbahnbogen 79/80, laufen täglich Bestellungen ein. Auch der Wiesbadener und Hamburger Verein sind bereits dem Beispiel Berlins gefolgt. Hoffen wir, daß dies gemeinnützige Bestreben in den weitesten Kreisen Anklang und Unterstützung findet! G. K.     


Das lebende Bild.

Erzählung von Adolf Wilbrandt.

     (2. Fortsetzung.)

Julius erwartete seine Frau, ohne sich zu regen; es widerstand ihm, der Villa noch näher zu treten; für die Zwiesprach zwischen Mann und Frau war sie immer noch näher, als ihm gefiel. Er sah mit widerwilliger Freude, in wie edler Haltung diese antike Gestalt heranschritt; sie erinnerte ihn wieder – früher hatte sie es oft gethan – an das Musterbild für griechischen, königlichen Gang, Charlotte Wolter, die Künstlerin. Aber „bleib fest!“ sagte auch er zu sich. Erst als Clotilde fast vor ihm stand, trat er ihr entgegen. Die grauen und die braunen Augen winkten einander zu.

„Laß mich dir ohne weiteres sagen,“ begann er mit Fassung und fester Stimme, „was zu sagen ist; Umschweife zu machen, das stünd’ uns nicht gut. Als ich zuerst zu Hans davon sprach, ich führe heut vielleicht hierher, da dachte ich nur des Kindes wegen zu kommen; oder vielmehr, ich bildete mir’s ein. Dann ist mir aber klar geworden, daß es nun endlich – zur Entscheidung kommen sollte zwischen dir und mir. In jedem Menschen, weißt du ja, bewährt sich seine Natur; die meine –“

Er mußte erst einen jähen, tiefen Schmerz bekämpfen, ehe er weitersprach: „die meine erträgt keine Halbheit.“

Clotilde war zusammengefahren, als sie das Wort „Entscheidung“ hörte; auf dieses Aeußerste war sie nicht gefaßt. Sie bezwang sich aber wie er. Den Schleier ein wenig vom Gesicht zurückwerfend, sagte sie, wie wenn ihr Kleid sie zu einer alten Römerin machte: „Auch die meine nicht.“

„Mag sein. Eben darum denk’ ich – – Dieser letzte Monat war unleidlich; immer noch ein Warten und Warten, ob es anders werde, ob deine Abneigung gegen mein Stillleben und – mich doch noch zu einem guten Ende kommen werde … Das ist nicht geschehn; konnte wohl nicht geschehn. Und so hab’ ich denn jetzt meinen Entschluß gefaßt; denn jeder Entschluß ist erträglicher als die Unentschlossenheit – in der man sich verzehrt. Also diesen meinen Entschluß leg’ ich dir nun vor. Ich lasse dir eine letzte Bedenkzeit – natürlich – aber eine kurze. Jetzt fahr’ ich wieder heim, aufs Land. Bis Mitternacht wart’ ich dann noch auf dich. Bist du bis dahin nicht gekommen, reis’ ich morgen ab.“

Clotilde erschrak nun doch noch heftiger als vorhin. Es war ihr einige Augenblicke, als käme ihr die Erde entgegen, als müßten sie beide zusammenfallen. Sie drückte die Augen ein, um etwa so den Nebel zu verscheuchen, der sich ihr hineindrängte. Es gelang ihr auch. Sie blieb aufrecht, sie sah auch wieder klar. Der Erdboden kehrte in seine alte Entfernung zurück.

„So reisest du morgen ab –“

„Ja. – Auf lange. – Mit andern Worten: so machen wir aus einer halben Trennung eine ganze … Ohne Geräusch, natürlich. Wir zwei unter uns; die Welt geht es nichts an. Luise – –“

Jetzt zitterte er doch; drum zitterte auch die Stimme mit. Er wartete eine Weile, bis er ruhiger fortfahren konnte: „Luise kann und werd’ ich dir nicht nehmen; sie ist ein Mädchen und gehört zur Mutter. Wir werden uns aber so einigen, denk’ ich, daß sie einen Teil des Jahres ihrem Vater gehört –“

„Julius!“

„Clotilde?“

Sie hob die Hände gegen ihn; ließ sie wieder sinken. „Befiehl, daß ich mit dir hinausfahre – so gehorch’ ich!“

„Hm!“ murmelte er. Dann schüttelte er den Kopf. „Ich will keinen Gehorsam dieser Art; der hilft uns zu nichts. Was für ein Zusammenleben, wenn es ohne Wahrheit, ohne Ueberzeugung ist, wenn es dem Widerwillen abgerungen ist? Nein, lieber Trennung; so weh – – “

Er sprach nicht weiter.

Auch Clotilde war eine Weile still; ein schmerzliches Lächeln irrte um ihre blaß gewordenen Lippen. „Thut dir’s doch noch weh?“ fragte sie endlich.

Er schwieg.

„Julius! Bist du ein anderer geworden oder ich? Früher gefiel dir an mir das alles, alles, was du jetzt verdammst. Meine Lust am Leben – meine Lust, mich in allerlei Gestalten zu bewegen, allerlei Künste zu können – meine ‚Sonntagsstimmung‘, wie sie damals hieß – mein ,Unternehmungsgeist‘. Du warst jung mit mir! Denk doch zurück. Als du noch so eifrig Bild auf Bild von mir machen ließest, oder selber machtest; Photographien über Photographien; weißt du das nicht mehr? Um all meine ‚Metamorphosen‘ darin festzuhalten, wie du sie nanntest – wie du sie an mir liebtest –“

„Verzeih,“ fiel er ihr ins Wort. „Das ist – lange her. Du warst eben jünger als jetzt. Jetzt muß ich fürchten –“

„Was?“

„Daß bei dir dauernd, ewig wird, was nur der Jugend gut steht; was dich nicht mehr schmückt, sondern – verzeih, Clotilde – sondern lächerlich macht, wenn es dich bis ins Alter begleitet! – Aber wie eine Leidenschaft ist es über dich gekommen – wie es über so manche Frau an der Grenze der Jugend, in den kritischen Jahren des Uebergangs kommt: jung bleiben um jeden Preis! glänzen und genießen! So kam es auch damals – so viel Jahre früher – über deine Schwester. Und nun sieh sie an: die Jugend ist zu Ende, aber diese Leidenschaft nicht; sie wird nie mehr enden, nie mehr, nie mehr, nie mehr! Ihr Beispiel, statt dich abzuschrecken, hat dich angesteckt; ,ewiger Karneval‘, das ist eure Parole. So schau’ ich das Leben nicht an! So will ich nicht leben!“

„Nein!“ sagte Clotilde bitter, mit verzogenen Lippen. „‚Ewiger Aschermittwoch‘, so heißt es bei dir! Denn dir ist es leider umgekehrt ergangen: vor der Zeit bist du still, alt und kalt geworden. Menschenmüde, weltscheu, vergraben in deine Bücher, Pflanzen und Gedanken – –“

Sie hielt inne, sie machte eine Bewegung mit der Hand, als jage sie ihre Worte weg, als vertreibe sie sie aus der Luft. „Verzeih,“ setzte sie ruhiger hinzu. „Ich hatte mir gelobt, diesen Streit nicht mehr zu erneuern –“

„Ich auch. Also vergieb! – Nur dies eine Wort laß mich dir noch sagen: du stehst so festlich, so geschmackvoll und edel gekleidet da – auch so schön – o ja – aber glücklich siehst du doch nicht aus. Mir deucht, du fühltest es eben selbst: diese Bewegung, mit der du dich abwandtest … Und jetzt, in

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 598. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0598.jpg&oldid=- (Version vom 15.4.2023)