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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Das Pape-Denkmal in Brilon.
Nach einer Aufnahme von Franz Kullrich in Berlin.

Ausarbeitung des Deutschen Handelsgesetzbuchs, der neuen preußischen Civilprozeßordnung, der Civilprozeßordnung für den Norddeutschen Bund hervorragenden Anteil gehabt hatte. Von 1870 bis 1879 war er Präsident des Reichsoberhandelsgerichts. Er starb am 11. September 1888 zu Berlin als Mitglied des preußischen Staatsrats. Am 13. September d. J. wurde dem hochverdienten Juristen zu Brilon in Westfalen, wo er 1816 am gleichen Tage zur Welt kam, ein Denkmal errichtet. Dasselbe ist nach dem Entwurfe des Regierungsbaumeisters Karl Moritz in Köln zur Ausführung gelangt und trägt in seinem architektonischen Aufbau dem altertümlich malerischen Charakter des künftigen Standorts des Denkmals vor dem Briloner Rathause Rechnung. Hinter der Bronzefigur Papes, nach der Modellskizze des Bildhauers Arnold Künne in Berlin, wird sich eine mit symbolischen Ornamenten geschmückte Spitzsäule erheben, an deren Unterbau sich beiderseits eine Bogenstellung mit davorstehender Sitzbank anlehnt. Pape ist auf einem antiken Sessel sitzend dargestellt, wie an einer von ihm geleiteten Beratung teilnehmend. Zu seinen Füßen liegen zwei Folianten, das „Bürgerliche Gesetzbuch“ und das „Handelsgesetzbuch“.

Der schönste Ruderpreis. (Zu dem Bilde S. 637.) Mit frohem Stolz ist der schlanke Gondelführer, der in den Kanälen und Lagunen Venedigs so trefflich Bescheid weiß, aus der Ruderwettfahrt als Sieger hervorgegangen. Mit seinen Kameraden hat er im ersten Siegesjubel, dem Brauche gemäß, einen festlichen Trunk gethan; bald ist er aber heimlich beiseite geschlichen, und jetzt steht er im lauschigen Stelldichein freudestrahlend vor der Geliebten. Stolz blickt auch sie zu ihm auf; seinen Triumph empfindet sie als den ihren, und den schönsten Preis, den ihm der Tag bringt, empfängt er jetzt von ihr in dem von Reben umsponnenen Winkelchen des Campiello, wo sie ihn erwartet hat, mit freudiger Zuversicht seinen Sieg voraussehend. Die leuchtende Purpurnelke, mit der sie ihn schmückt, ist ein Symbol dieses freudigen Mitempfindens. Wie hätte sie zweifeln sollen, daß er, der ihr Herz besiegte, nicht auch sich als Sieger bewähren würde, nun er mit seinen Berufsgenossen nach Kraft und Gewandtheit sich maß?

Deutschlands merkwürdige Bäume: die „tollen Buchen“ bei Remilly. (Mit Abbildung.) Zwanzig Kilometer südöstlich von Metz, an der Nied, dem bedeutendsten Nebenfluß der Saar, liegt Remilly, eines der schöneren lothringischen Dörfer, merkwürdig als Vereinigungspunkt der von Saarbrücken und Straßburg kommenden Eisenbahnlinien, durch seine drei mit stattlichen Parks umgebenen Schlösser und endlich durch ein auf einem nahen Waldhügel befindliches Naturwunder, im Volksmund die „tollen Buchen“ geheißen. Es sind dies zwei uralte und höchst eigentümlich gestaltete Bäume. Der auf unserer Abbildung dargestellte umfaßt unmittelbar über der Erde 4 m im Umfang, sein moosreicher Stamm wächst bereits krumm und bucklig aus dem Boden heraus und seine zahllosen Aeste durchkreuzen sich in den bizarrsten Blitz- und Schlangenwindungen. Nicht minder seltsam geformt ist die zweite 150 m südöstlich davon stehende „tolle Buche“. Der Zugang zu diesen beiden merkwürdigen Bäumen war bisher schwer aufzufinden, doch hat die Sektion Metz des Vogesenklubs im Plane, ihn in Bälde mit Wegweisern und Merktafeln zu versehen. Adolf Fischer.     

Deutschlands merkwürdige Bäume: „tolle Buche“ bei Remilly in Lothringen.
Nach einer Aufnahme von Hofphotograph E. Jacobi in Metz.


Sonntagnachmittag vor dem Bahnhof Halensee-Berlin. (Zu dem Bilde S. 640 und 641.) Es ist einer der interessantesten Plätze des neuen Berlin, den wir heute unsern Lesern im Bilde vorführen. Am Kurfürstendamm stößt die gewaltige Riesenstadt, die sich von Jahr zu Jahr mehr ausdehnt, mit dem Grunewald zusammen. Die Brücke im Hintergrund führt über die Geleise des Südrings der Ringbahn. Diesseits gehen die letzten Häuser von Charlottenburg, das heute mit Berlin schon eine zusammenhängende Stadt bildet, in den Vorort Halensee über, jenseits beginnt der Wald, in den an dieser Stelle die schöne Villenkolonie Grunewald eingebettet liegt. Sie verdankt ihr Entstehen hauptsächlich der kräftigen Förderung und Unterstützung des Altreichskanzlers Fürsten Bismarck. Die dankbaren Einwohner haben ihm denn auch ein würdiges Denkmal gesetzt, das den Alten von Friedrichsruh darstellt, wie er, den Schlapphut auf dem Kopf und den Stock in der Hand, in Begleitung seines treuen Tyras auf einem Spaziergang begriffen ist.

Die Entwicklung Berlins hat ihre Richtung erhalten durch den Zug der Stadtbahn. Um die Bahnhöfe herum entstanden die neuen Stadtteile, die so unmittelbar Anschluß an den großen Verkehr hatten. Der Kurfürstendamm, das erste Stück der Grunewaldchaussee nach Potsdam, zieht sich ziemlich parallel dem Teil der Stadtbahn zwischen Bahnhof Zoologischer Garten und Halensee hin. Kein Wunder also, daß längs der alten Straße sich eine rege Bauthätigkeit entfaltet hat, die eher zu- als abnimmt. Freilich, noch liegen an einzelnen Stellen große Stücke freien Feldes zwischen den Häusern, aber von Jahr zu Jahr werden sie kleiner und die Zeit ist nicht mehr fern, wo eine geschlossene Straße vom Tiergarten bis zum Grunewald führen wird. Dann ist das Ziel früherer Landpartien ein Teil der Stadt geworden, der Grunewald ist der neue große Tiergarten. Schon heute ist er ein alltägliches Spaziergebiet für viele Tausende. Unser Bild zeigt das letzte Stück des Kurfürstendamms. Da die neue Brücke hier so ziemlich das einzige Verkehrsmittel ist, um in den Wald zu gelangen – eine zweite, weiter südlich, liegt noch allzusehr im öden Gelände, um für die große Masse in Betracht zu kommen – so ist das Leben und Treiben an dieser Stelle immer ein buntbewegtes, an Abwechslungen überreiches!

Die Uhr am Bahnhofsgebäude Halensee links zeigt die sechste Nachmittagsstunde. Ein Zug von Berlin ist soeben angekommen. In dichten Scharen drängen die Reisenden, die innerhalb des Bahnhofes von den Bahnsteigen heraufgestiegen sind, ins Freie. Die meisten von ihnen schlagen die Richtung nach drüben ein, sei es, daß sie sich im Walde ergehen wollen, sei es, daß es sie nur zu jenen Vergnügungs- und Tanzlokalen zieht, von denen es dort eine ganze Reihe sehr großstädtischer giebt, und deren eines schon freundlich herüberlockt. Freilich besser als die, welche im dumpfen Waggon hierher gekommen sind, haben es die glücklichen Besitzer bequemer Equipagen. Es giebt in Berlin viele elegante Gespanne, obwohl sie lange nicht so in die Erscheinung treten wie in Paris. Man lebt bei uns weniger nach außen, sich allzusehr zeigen gilt nicht für vornehm. An der Brücke vor Halensee aber kann man die Vertreter der Berliner Welt zu Wagen oder hoch zu Roß, oft auch den Kaiser und seine Familie an schönen Tagen vorübereilen sehen. Dazwischen fehlen dann sicher auch nicht die alten Kremser, in denen Familien Landpartien machen. Weitaus am zahlreichsten sind jedoch die Radfahrer. Das Rad hat sich, seitdem die Straßen der Reichshauptstadt ihm freigegeben sind, Berlin im Sturm erobert. Die 50000ste Radfahrerkarte ist längst ausgegeben. Der Sport zählt in allen Kreisen seine Vertreter. Allerdings gehört eine große Geschicklichkeit dazu, in dem Gewirr des Kurfürstendamms sein

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 643. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0643.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2023)