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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

ihrer alten Herrlichkeit äußerlich und innerlich, soweit wenigstens die Architektur ihre Aufgabe zu erfüllen hatte.

Das äußere Einlaßthor zum Hochschloß
vom Hof des Mittelschlosses aus.

Unternehmen wir nun einen Rundgang um die äußeren Mauern, beginnend bei der Brücke, die vom Hof des Mittelschlosses zum äußeren Einlaßthor des Hochschlosses führt. Es ist von zwei Türmchen überhöht. Rechts und links ragen die mit gotischem Maßwerk kunstvoll verzierten Spitzgiebel der beiden anderen Flügel auf. In diesem Querhause befanden sich zur Ordenszeit die Firmarie (Krankenhaus der Ritter) und die Gemächer des Großkomturs. Zwei Türme flankieren gegenüber den Ecken den Graben. Links herum gehen wir entlang dem Ostflügel, welcher die noch nicht restaurierten Gastkammern enthielt und mit der kleinen St. Adalbertkapelle nach dem Hofe hin abschloß. Weiter zwischen dem mittleren und dem rechten Hause erhebt sich über den tiefen, beide Baulichkeiten trennenden Graben der 80 Fuß hohe „Pfaffenturm“, in welchem die Priesterbrüder ihre Wohnung hatten, von denen mehrere zu jedem Konvent gehörten. Nun tritt der Vorbau uns entgegen, in welchem sich die St. Annenkapelle und darüber die Schloßkirche befindet. Die drei Abschlüsse des Polygons und die Seitenwände sind mit Spitzgiebeln gekrönt. In der Nische vorn steht das auf unserer Abbildung Seite 672 deutlich erkennbare mächtige Marienbild, ein Wunderwerk seiner Zeit. Eine Restauration unter Schön hatte nicht den erhofften Erfolg, da das benutzte Bindemittel der Feuchtigkeit schlecht widerstand. Besser geglückt scheint die 1869 von Dr. Salviati in Venedig unternommene zu sein. Das die ganze Statue und auch den Hintergrund der Nische überziehende Mosaik besteht aus farbigen kubischen Emailpasten, von denen die vergoldeten noch mit einer dünnen Glasschicht überzogen sind. Maria trägt ein goldenes Gewand, einen roten, mit goldenen Vögeln gemusterten, blaugefütterten Mantel; sie ist durch Krone und Scepter als Himmelskönigin bezeichnet. Auch das Christuskind ist gekrönt und hält in der Linken die Weltkugel. Die großartigen Linien des Faltenwurfs, sagt ein berühmter Kunstkenner, stimmen sehr wohl mit dem Ernste, den das Angesicht der Himmelskönigin trägt, und dieser Ernst ist wieder sehr glücklich durch die Schönheit edelster Formbildung gemildert, die sich glücklicherweise in der ganzen Gestalt wie in der sorgfältigen Anordnung der verschiedenartigen Gewänder zeigt. Die gleichen Vorzüge teilt auch die Farbengebung der Mosaiken, welche ebenso glänzend wie harmonisch ist.

Unseren Weg, entlang dem heut’ mit alten Bäumen bewachsenen Graben, fortsetzend, blicken wir um die wieder mit einem prächtigen Giebel ausgestattete Südostecke auf die nach der Stadt führende hölzerne Laufbrücke, welche schon zur Ordenszeit bestand, und auf den aus der folgenden Ecke herauswachsenden Herren-Dansk. Hier versuchte, als Ludwig von Erlichshausen das Schloß verlassen hatte, sein tapferer Soldhauptmann Bernhard von Zinnenberg mit den Marienburgern unter ihrem treuen Bürgermeister Blume den nächtlichen Sturm; das gewaltige, den Parchan schließende Mauerwerk des Dansk hielt sie auf. – Der Westflügel des Hochschlosses endlich, dessen Dach von den beiden Eckgiebeln überragt wird, kehrt sich dem Flusse zu und ist durch sechs hohe Blendbogen ausgezeichnet, innerhalb deren die kleinen Fenster unregelmäßig eingelegt sind. Ueberall sind die massigen Mauern durch Streifen und andere Muster von schwarzglasierten Ziegeln belebt. Oben herum läuft ein schöner Fries, und darüber erhebt sich bis unter das Dach eine Art von Attika mit fast quadratischen Fensteröffnungen für den Wehrgang.

Das etwas tiefer gelegene Mittelschloß steht ganz frei und fesselt durch den palastartigen Vorbau den Blick. Zwei riesige Eckpfeiler tragen ein weitausladendes, sich wie eine Blume aufblätterndes Steingesims mit Zinnenkranz. Dazwischen tritt die Mauer in vier tiefe Nischen zurück, in welcher die hier nach oben geradlinig abgeschnittenen Fenster liegen. Wundersam sind die drei Zwischenpfeiler da, wo die großen Fenster der hochmeisterlichen Prunkgemächer ihre Lage haben, durch zierliche Säulchen unterbrochen, was der sonst schweren Fassade plötzlich den Charakter anmutigster Leichtigkeit giebt. Diese Architektur hat etwas Zauberhaftes, besonders wenn bei schräger Sonnenbeleuchtung sich tiefe Schatten in die Nischen senken und teilweise noch auf den farbigen Fenstern die Lichter spielen. Auch die anderen Seiten zeigen hohe Nischen zwischen kräftigen Pfeilern, jedoch ohne diesen Säulenschmuck. Was war das für ein Baumeister, der dieses Werk erdacht und ausgeführt hat! Wir kennen seinen Namen nicht. Wir wissen auch nicht, wer das obere und wer das mittlere Schloß erbaut hat, dessen Westflügel uns nun die acht farbigen Fenster des großen Konventsremters (Rittersaals) zuwendet, von dem schon gesprochen ist.

Der Hof im Hochschloß mit dem Brunnen.

So haben wir den ganzen Bau umkreist und gelangen wieder zu den das Standbild Friedrichs des Großen umschließenden Gartenanlagen, welche einen Teil der früheren Vorburg einnehmen. Wir wandern nun über die Brücke, durchschreiten den Thorbogen im Nordflügel des Mittelschlosses, den geräumigen Hof desselben und gehen, an der Hinterfront des Hochmeisterpalastes vorbei, über die Brücke, welche über den breiten und tiefen, übrigens auch schon zur Ordenszeit trockenen Graben führt, zunächst nach dem Hochschloß als dem ältesten Bau.

Wir treten in den links von einem Turm, rechts vom Thorhause flankierten Zwinger ein und heben nun den Blick auf den in der Nordwestecke gelegenen Eingang. Da er schräge gegen die Ecke des Hofes hin geführt ist, zieht sich auch die Mauer hier schräge gegen den Eckpfeiler ein. Das Portal ist 15 Fuß breit und wohl dreimal so hoch, bis zum Fries von wechselnden schwarzglasierten und roten Ziegeln eingewölbt. Hier besonders entzückt die „tiefviolett bräunliche Farbe des alten Mauerwerks, teilweise mit zartgrünlicher Patina überzogen.“ Diese hochaufstrebende Spitzbogennische und noch mehr das vertieft liegende und verhältnismäßig niedrige eigentliche Portal von wunderbarer

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 674. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0674.jpg&oldid=- (Version vom 8.2.2023)