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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

der ruhmreichsten fürstlichen Landsitze, weil sich hier in einer den Musen und Grazien gewidmeten Idylle das Genie eines großen Herrschers glänzend entfaltete. Gegenüber dem trockenen Ton, der in Berlin am Hofe des schlichten, barschen Soldatenkönigs herrschte, war hier den Künsten und Wissenschaften ein Asyl bereitet: der junge Prinz studierte die großen Schriftsteller und Dichter des Altertums und der Franzosen, stand in lebhaftem brieflichen Verkehr mit manchen der hervorragenden Geister, welche dem Jahrhundert seine Bedeutung gaben, griff selbst zur Feder, um einen Macchiavelli zu widerlegen, und bereitete sich in aller Stille auf seinen hohen Beruf vor. Ein geistvoller Kreis gleichgesinnter Freunde, wie Jordan, Kayserling, Bielefeld, umgab ihn, und in diesen Kranz waren auch einige Blumen weiblicher Schönheit geflochten, Edelfrauen und Edelfräulein aus dem Preußenlande. Bisweilen wurden wohl Gelage gefeiert, bei denen es wild genug herging und es auch an Trunkenheitsscenen nicht fehlte, doch im ganzen bewährte sich auch hier der Dichterspruch: „Trinken wir, sind wir begeistert!“ Ueberschäumender Geist, nicht die Roheit sinnlichen Genusses war die Losung. Friedrich selbst liebte die Musik; mit seinem Kapellmeister Graun gab er häufige Konzerte im Schloß: er war ein vortrefflicher Flötenspieler und zeichnete sich besonders durch das Rührende und Edle im Vortrag der Adagios aus; er selbst erklärte, daß beim Flötenspielen ihm die besten Gedanken kämen. Für einen künftigen berühmten Kriegsmann mußte es auffällig erscheinen, daß er das sanfteste Instrument bevorzugte; für seine stillen Neigungen sprach aber noch mehr seine Vorliebe für den Gartenbau, für Obst- und Blumenzucht; er selbst hatte die berühmten Gärten von Rheinsberg, die schönen Treibhäuser angelegt und schrieb darüber im November 1736 an seinen Vater: „Anjetzo bin ich beschäftigt, mit dem Flantzen der Bäume fertig zu werden, derweil wir anjetzo noch schöne Tage haben.“ Die Pflege des Gartens, die Früchte, die er zog, dienten ihm besonders dazu, die guten Beziehungen zu seinem gestrengen Vater, die sich nach dem heftigen Konflikt der ersten Jugendzeit wieder eingestellt hatten, aufrechtzuerhalten: er schickte pünktlich Spargel und Blumenkohl, Kirschen, Erdbeeren, Melonen und Weintrauben an seinen Vater nach Berlin. Er selbst liebte das Obst sehr, und noch in späterer Zeit standen in allen Zimmern des Schlosses von Sanssouci Teller mit Früchten und er langte beim Auf- und Abgehen bald hier, bald dort zu. Unser Bild zeigt uns den jungen Kronprinzen vor der Gärtnerei in Rheinsberg; der Gärtner macht ihn auf eine neugezogene Pflanze aufmerksam. Der Prinz betrachtet sie mit lebhafter Teilnahme, indem er aus seiner Schnupftabaksdose eine Prise nimmt, eine Gewohnheit, welcher er bis in sein hohes Alter treu geblieben ist. †      

Die „Hansa“-Bowle. (Mit Abbildung.) Am 16. August hat der neuerbaute Kreuzer „Hansa“ im Kieler Hafen seine erste Ausreise nach Ostasien angetreten. Die Taufe des Schiffes hatte der Präsident des Senats der alten Hansestadt Hamburg vollziehen dürfen. Der Hamburger Senat faßte in seiner Freude darüber den Beschluß, der „Hansa“ für die Messe ihrer Offiziere eine prächtige Bowle zu stiften, und das kostbare silberne Gefäß ist noch vor der Abreise feierlich dem Kommandanten des Schiffes, Fregattenkapitän Pohl, überreicht worden. Dasselbe ist von Alexander Schönauer in Hamburg nach dem eigenen Entwurf ausgeführt worden. Der Bestimmung der Bowle, auf einem Schiffe in Gebrauch zu kommen, entspricht die gedrungene, massige Form und der breite, gewichtige Fuß. Der kleine Fries über demselben hat Fische, Sternkorallen und Algen zu Ornamenten. Der große Reif der leicht gebuckelten Schale, auf welchem der Deckel sitzt, trägt ein Relief mit Festons von Ananas, Weintrauben und anderen Früchten. In der Mitte schmückt den Reif auf der einen Seite das große hamburgische Staatswappen, auf der anderen eine Tafel mit der Widmung: „S. M. S. Hansa der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg 1899.“ Der Deckel der Bowle hat an den gleichen Seiten das Hanseatenkreuz in Email als besonderen Zierat. Gekrönt wird der Deckel durch die Nachbildung eines der alten Orlogschiffe Hamburgs.

Die vom Hamburger Senat dem Kreuzer „Hansa“
gestiftete Bowle.

Nach einer Aufnahme von Franz Rompel in Hamburg-Barmbeck.

Audifax und Hadumoth. (Zu dem Bilde S. 661.) Wie ein Märchen, das in alten Zeiten in der Seele des Volks entstand und dann weiterlebte in der Rede des Volkes, gleich den von den Brüdern Grimm gesammelten, berühren in Scheffels „Ekkehard“ die Kapitel von den beiden Hirtenkindern Audifax und Hadumoth. „In jener Zeit lebte auf dem Hohentwiel ein Knabe, der hieß Audifax. Er war eigener Leute Kind, Vater und Mutter waren ihm weggestorben, da war er wild aufgewachsen, und die Leute hatten sein nicht viel Acht, er gehörte zur Burg wie die Hauswurz, die auf dem Dach wächst, und der Epheu, der sich um die Mauern schlingt. Man hatte ihm die Ziegen zu hüten angewiesen. Die trieb er auch getreulich hinaus und herein, und war schweigsam und scheu. Er hatte ein blaß Gesicht, und kurz geschnitten blondes Haupthaar, denn nur der Freigeborne durfte sich mit wallenden Locken schmücken.“ … „Damals hütete, was an Gänsen und Enten zum Hofe der Burg gehörte, ein Mägdlein, deß Name war Hadumoth, die war einer alten Magd Tochter und hatte ihren Vater nie gesehen. Es war Hadumoth ein braves Kind, rothwangig und blauäugig. … Ihre Gänse hielt sie in Zucht und guter Ordnung … Oft weideten sie vermischt mit den Ziegen des Audifax, denn Hadumoth hatte den kurzgeschorenen Ziegenhirten nicht ungern und saß oft bei ihm und schaute mit ihm in die blaue Luft hinaus – und die Tiere merkten, wie ihre Hüter zusammenstanden, da hielten auch sie Freundschaft mit einand. Jetzt trieb Hadumoth ihre Gänse auf die Berghalde herunter, und da sie der Ziegen Glöcklein drüben läuten hörte, sah sie sich nach dem Hirten um. Und sie erschaute ihn, wie er weinte, und ging hinüber, setzte sich zu ihm und sprach: Audifax, warum weinst du?“

So macht uns der Dichter mit den beiden wild aufgewachsenen Kindern des Hegaus bekannt, deren junges Lieben und Schwärmen, deren Leiden und Freuden so eng mit dem rauhen blutigen Kampf der Burgmannen des Twiel und der Klosterbrüder von Sankt Gallen und Reichenau gegen die wilden Hunnen verflochten sind. Schatzgräbersagen erfüllen den Sinn des träumerischen Hirtenknaben. Er hat im Felde eine alte römische Münze gefunden, rund, aber gewölbt wie eine Schale, mit etlichen unverständlichen Zeichen darauf, aus wirklichem Gold. Ihm verlangt nach dem Zauberspruch, der ihm den Schatz offenbaren muß, zu welchem die Münze gehört. Diese Sehnsucht verursacht die Thränen, welche Hadumoths Mitleid erregen. Mit dieser Sehnsucht im Herzen gerät er in die Gefangenschaft der Hunnen, um hier wirklich einen Goldschatz zu finden. Aber mehr wert als das Gold, das er findet und das er mit Hadumoth aus dem Lager der Hunnen entführt, ist der Schatz, den er gleichzeitig damit gewinnt. Der Traum seiner Jugend geht in Erfüllung, er wird von der Herzogin Hadwig der Leibeigenschaft enthoben, und als ein Freier kann er um seine treue Hadumoth werben.

Das erste Telegramm in Deutschland. Am 22. November 1794 wurde in Deutschland die erste telegraphische Depesche befördert, und zwar selbstverständlich mit dem optischen Telegraphen. Es geschah dies bei Gelegenheit des Geburtstages des Markgrafen Karl Friedrich von Baden, und es wurde das nachstehende Gedicht durch den Mechanikus Böckmann auf die Entfernung von 11/2 Stunden nach Karlsruhe signalisiert:

„Groß ist das Fest und schön! Triumph, der Gute lebt,
Um dessen Fürstentum der Vorsicht Auge schwebt,
Heil ihm, so tönt es fern und nah;
O Fürst, sieh hier, was Deutschland noch nicht sah,
Wie Dir der Telegraph heut’ Segenswünsche schicket!“

Schwarzwälderin. (Zu unserer Kunstbeilage.) Eines der lieblichsten Thäler des Schwarzwaldes ist das mit allen Naturreizen reich ausgestattete Schapbacherthal, dessen besuchtesten Teil das Dorf Schapbach und das weiter oben idyllisch gelegene Bad Rippoldsau bilden. Natur und Kunst haben sich vereinigt, um aus diesem Fleck Erde ein Paradies zu schaffen – einen Gottesgarten, wo ein urwüchsiger, kräftiger und arbeitssamer Menschenschlag eines glücklichen und zufriedenen Daseins sich erfreut.

Altdeutsche Sitte und Bräuche sind hier noch allgemein vorherrschend, auch wird noch vielfach die alte malerisch schöne Landestracht getragen. Rot sind fast durchweg die kurzen Röcke der schmucken Töchter des Schapbacherthales. Aber auch himmelblau und smaragdgrün zählt zu den Lieblingsfarben. Als Kopfschmuck tragen die Frauen an Sonn- und Feiertagen, sowie bei festlichen oder außerordentlichen Veranlassungen schwarze Hauben – sogenannte Kappen, wie sie der Maler des Frauenkopfes auf unserer Kunstbeilage dargestellt hat. Der Deckel dieser Kappen ist meist von teurem golddurchwirkten Stoff und der Vorderrand weist vielfach einen feinen schwarzen Spitzenbesatz (Halbschleier) auf. An Trauerkappen ist der Deckel schwarz. Ein kurzes oben offenes dunkles Mieder trägt unten an einem fingerdicken Gurt den Rock. Die bauschigen Hemdärmel schließen mit einem engen Spitzensaum. Ueber das seidene Busentuch legt sich ein breiter weißer Spitzenkragen. Schulter und Brust sind mit roten Schleifen und die Verschnürung durch hübsche Bänder verziert. An den Sonntagen, sowie im Winter kommt dazu ein schwarzer Spenzer und auf den hellfarbigen Rock eine blaue oder grüne, gestreifte Schürze (Fürtuch genannt) mit breitem Schurzbande, dazu blaue, rotgezwickelte Strümpfe und Laschenschuhe. Junge Mädchen tragen das „Tschäppl“, eine niedliche Krone von Perlen und Glaskrystallen, welche durch zwei rote Bänder und eine Nadel auf dem Kopfe befestigt ist. Die Enden der langen, frei über den Rücken herabhängenden Zöpfe sind mit gelben Schlüpfchen geziert, während die breiten roten Tschäpplbänder fast bis zum Boden herabreichen. J. J. Hoffmann.     


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 676. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0676.jpg&oldid=- (Version vom 8.2.2023)