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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

sehen wir sie auch am reichsten entwickelt, gegen die Tiefe zu nimmt sie allmählich ab. Wie O. Kirchner und C. Schröter, deren trefflichem Buch „Die Vegetation des Bodensees“ (Der Bodenseeforschungen neunter Abschnitt) wir alle diese Angaben entnehmen, mitteilen, hören die Blütenpflanzen im Bodensee bei 6 m Tiefe, die Armleuchtergewächse bei 30 m auf; von da an sind nur noch niedere Algen und Pilze konstatiert. Die chlorophyllhaltigen Algen, welche zum Assimilieren, zum Leben, des Lichtes bedürfen, können nicht weiter hinabgehen, als Lichtstrahlen eindringen. Wenn nun im Bodensee in einzelnen Fällen auch noch in größeren Tiefen assimilierende Algen gefunden worden sind, so steht die Erklärung hierüber einstweilen noch aus; entweder sind sie imstande, auch noch das äußerst schwache Licht, welches nur noch von den empfindlichsten chemischen Substanzen nachgewiesen wird, zu benutzen, oder sie leben, wie Kirchner vermutet, nicht dauernd in der Tiefe, sondern sind mit einem Steigvermögen ausgerüstet.

Die Vegetation der chlorophylllosen Pilze und Bakterien ist nicht an das Licht gebunden und erträgt zugleich sehr tiefe Temperaturen, so daß dem Vorkommen dieser Pflanzen in großen Tiefen nichts entgegensteht. In der That fand Professor Roth im Bodensee in der Tiefe von 60 bis 65 m, etwa 5 m über dem Grund, an Mikroben 31 bis 146 Stück im Kubikcentimeter.

Ueber das Resultat der zoologischen Erforschung des Bodensees ist erst kürzlich eine Publikation „Die Verbreitung der Tierwelt im Bodensee“ (der Bodenseeforschungen zehnter Abschnitt) von Prof. Dr. Bruno Hofer erschienen, die sich speziell mit der interessanten Frage der Verteilung des Plankton beschäftigt. Die größte Entwicklung sowohl der Art nach als auch der Masse nach fand Hofer im Beginn des Herbstes, zu welcher Zeit der See die größte Wärmemenge absorbiert hat. Sehr bemerkenswert ist der Nachweis Hofers, daß die oberste Schicht in der Tiefe bis zu 1 m, bei sehr hellem Wetter sogar bis 2 m nur ganz spärlich von Planktontieren belebt war; nur bei trübem Wetter fand sich die Oberfläche des Sees am stärksten belebt. Von der Oberfläche fand Hofer die Masse des Plankton nach der Tiefe zu ständig zunehmend, bis bei 20 m das Maximum erreicht wurde; von hier war wieder eine Abnahme zu konstatieren, bis bei 30 m, vielleicht auch etwas tiefer, die untere Verbreitungsgrenze des tierischen Plankton erreicht war.

Innerhalb dieser Verbreitung des Plankton konnte Hofer ferner eine genaue Verteilung der einzelnen Arten nachweisen. Während einige Arten sich ziemlich gleichmäßig im ganzen Plankton verteilt fanden, hielten sich andere fast ausschließlich in den oberen Schichten auf, und andere wiederum konnten fast nur in den tieferen Schichten nachgewiesen werden. Auch in anderen subalpinen Seen machte Hofer die gleiche Beobachtung, so daß es sich hier jedenfalls um eine Erscheinung von allgemeiner Bedeutung handelt.

Bei einigen Untersuchungen des Plankton im Winter fiel im Vergleich zu den im Frühherbst gewonnenen Resultaten zunächst die große Formenarmut der winterlichen Fauna auf; manche Arten fehlten ganz, andere traten sehr zurück. Die Tiefenverbreitung konnte zwar nicht völlig genau nachgewiesen werden, doch konnte Hofer konstatieren, daß das Plankton mit seinen letzten Ausläufern im Winter tiefer hinabreicht als im Sommer, was völlig mit dem Nachweis Forels stimmt, daß das Licht im Winter tiefer eindringt als im Sommer.

Besonders in der Erforschung der Pflanzen- und Tierwelt des Bodensees können die erlangten Resultate trotz ihrer Bedeutung noch nicht als völlig abschließend betrachtet werden; um einen völlig genauen Einblick zu erhalten in den Wechsel, dem die Lebewelt dieses gewaltigen Wasserbeckens in ihrer Verteilung und ihrer Masse im Lauf eines Jahres unterliegt, und in die Ursachen dieser Schwankungen würde eine ein ganzes Jahr und länger täglich fortgesetzte Untersuchung nötig sein; dies könnte natürlich nur geschehen, wenn einmal auch an den Ufern des Schwäbischen Meeres sich eine biologische Station erheben würde, wie sie seit einer Reihe von Jahren am Plöner See in Holstein besteht und seit dieser Zeit schon mehrfach Nachahmung gefunden hat.

Allein es wäre ungerecht, nicht mit großem Dank anzuerkennen, wie erstaunlich viel schon jetzt, dank der opferfreudigen Hingebung aller beteiligten Forscher, geleistet worden ist!

Die Erforschung des Bodensees, deren Bedeutung wir zu skizzieren versuchten und zu welcher sich fünf Staaten vereinigen mußten, deren Gebiete an dieses Wasserbecken stoßen, ist eine wissenschaftliche Großthat, welche in der Geschichte der Seenforschung einen ersten Platz einnimmt und allen Beteiligten zur größten Ehre gereicht.



Blätter und Blüten.

Illustrierte Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts. Das Jahrhundert geht zur Rüste – immer näher rückt der bedeutsame Augenblick, in welchem die Sylvesterglocken das Jahr einläuten, das der Kalender als erstes dem zwanzigsten Jahrhundert zuzählt. Veranlaßt schon der jedesmalige Abschluß eines Jahres jeden Denkenden zu einem Rückblick auf die abgelaufene Zeitspanne, so thut dies in noch ganz anderem Maße der Uebergang in ein neues Jahrhundert, und das Bedürfnis, sich der gewaltigen Hinterlassenschaft des vergangenen für das neue in aller Klarheit bewußt zu werden, wird überall empfunden. Eine Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts, die diesem Bedürfnisse in einer wahrhaft volkstümlichen, dabei eingehenden und gediegenen Darstellung entgegenkommt, muß daher von jedermann willkommen geheißen werden. Wir freuen uns, in der „Illustrierten Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts“, welche die Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart herausgiebt und deren erste Lieferungen uns vorliegen, ein solches Werk begrüßen zu dürfen. Die ganze Anlage dieses illustrierten Geschichtswerks läßt erkennen, daß die Herausgeber es mit großem Geschick verstanden haben, die unendliche Fülle des Stoffs, der hier zu bewältigen war, nach großen Gesichtspunkten zu ordnen, übersichtlich zu gruppieren und die Illustrationen dem Text so anzupassen, daß das Bild durch unmittelbare Anschauung aufs lebensvollste vergegenwärtigt, was sonst nur durch breite Auseinandersetzung in Worten dem Leser hätte gesagt werden müssen. Diese lichtvolle, durch Illustrationen stets belebte Gruppierung des Stoffs kommt zunächst darin zum Ausdruck, daß neben der fortlaufenden Darstellung der politischen Geschichte des Jahrhunderts in kurzen Kapiteln, wie sie der Erscheinungsform in Heften entspricht, die „Fortschritte von Kultur und Wissenschaft“, die „Entwicklung von Industrie und Technik, Handel und Verkehr“ in abgesonderten Kapitelfolgen behandelt sind, und daß diese zusammenfassenden Berichte wiederum ergänzt werden durch eine „Galerie der hervorragendsten Persönlichkeiten“ in Wort und Bild, und eine Folge selbständiger „Bilder aus der Geschichte“, welche an einzelnen Beispielen des näheren ausführen, was im engen Zusammenhang der eigentlichen Geschichtschronik nur angedeutet werden konnte. Die Lektüre des Textes wirkt daher nie ermüdend, stets anregend, zumal er auch frisch, anschaulich und klar geschrieben ist. Naturgemäß beginnt die Darstellung mit der großen Revolution in Frankreich, deren positive Errungenschaften im ablaufenden Jahrhundert grundlegend wurden für die politische Entwicklung aller Staaten. Gleich hier zeigt sich’s, mit welch außerordentlicher Fülle von Abbildungen jeder Art das Unternehmen ausgestattet wird. Historische Scenen nach den Gemälden berühmter Maler, wie das große farbige Bild „Die Rückkehr des französischen Königspaares von Versailles nach Paris am 6. Oktober 1789“ nach Squindo, der doppelseitige Holzschnitt „Das letzte Gastmahl der Girondisten“ nach Flameng, vergegenwärtigen uns die erhebenden Momente und die Greuel jener welterschütternden Epoche. Aber wir sehen auch beispielsweise James Watt, wie er als Knabe in der Küche seiner Mutter am Theekessel die Wirkungen des Dampfes beobachtet, Fultons Dampfbootprobefahrt auf der Seine zu Paris, Schillers Heimkehr nach Stuttgart 1794 in historisch getreuer genrebildlichen Darstellung. Zahlreiche Porträts von Erfindern, Denkern, Künstlern wechseln ab mit solchen von Fürsten und Fürstinnen, Feldherren und Staatsmännern. Daneben finden sich technische Abbildungen in Menge. Dies echte Volksbuch, das sich auch durch wohlfeilen Preis auszeichnet und in 30 Heften vollständig sein wird, ist selbst als eine schöne Errungenschaft der Kulturfortschritte zu bezeichnen, von denen es so vielumfassende Kunde giebt. Unzähligen wird es eine segenspendende Quelle der Bildung und Aufklärung werden.

Dr. Georgi, Oberbürgermeister von Leipzig. (Zu dem Bildnis S. 707.) Am 1. Oktober d. J. trat nach fünfundzwanzigjähriger segensreicher Thätigkeit an der Spitze der Verwaltung Leipzigs Dr. Otto Robert Georgi aus Gesundheitsrücksichten von seinem Amt als Oberbürgermeister der Stadt zurück. Georgis Verdienste um Leipzig sind aufs innigste mit dem gewaltigen Aufschwunge verknüpft, den die altberühmte Universitäts- und Handelsstadt in den Jahren seit Gründung des Deutschen Reiches auf allen Gebieten genommen hat, auf denen sie schon früher ihre hervorragende Stellung unter den deutschen Städten gewann. Unter Georgis Amtsführung ward das Reichsgericht in Leipzig errichtet und fand eine würdige Stätte für sein Haus; der glänzenden Blüte der Universität, welche in diesem Zeitraum großartige Neubauten ins Leben rief, wurde auch städtischerseits eifrig Rechnung getragen; die neu sich festigende Bedeutung Leipzigs als Hauptsitz des

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 706. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0706.jpg&oldid=- (Version vom 14.3.2023)