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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Lampl und um fremds Load ist ’n öfter ’s Wasser in die Augn gschossn, wie um ’s oagne.“

Am 21. Juli 1789 verehelichte sich Hofer mit Anna Ladurner, aus einem in der Meraner Gegend weit verbreiteten Geschlechte. Sie war eine verständige, treue Frau, schweigsam und still, die mit großer Zärtlichkeit an ihrer Familie hing.

Unter schweren Bedingungen übernahmen die jungen Eheleute den Sandhof. Andreas Hofer mußte bei einem Kaufpreis von 12000 Gulden seinen Geschwistern 9000 Gulden verzinsen. Dies war auch der Grund, warum Hofer im Handel mit Vieh, Wein und Branntwein Nebenerwerb suchte und so im ganzen Lande bekannt wurde. Ueberall wurde der Passeirer Wirt freundlich aufgenommen, denn er erfreute sich eines schlagfertigen Witzes und ließ mit seinen Bemerkungen und Anspielungen nicht auf sich warten. Hofer war ungemein gutmütig und nicht sonderlich sparsam, weshalb er eigentlich wirtschaftlich immer zu kämpfen hatte. Er war aber grundehrlich und verabscheute jedes unerlaubte Mittel der Bereicherung.

Eigentlich unmäßig im Trinken war er nicht. Was aber so ein Tiroler Wirt an Wein konsumiert, ist schon ein anständiges Quantum. Auf körperliche Bequemlichkeit in jeder Beziehung legte er wenig Wert und verlachte andere, wenn sie auf Reisen über schlechte Betten und so weiter klagten.

Seine Reisen machte er zumeist reitend, trug auf ihnen immer die Passeirertracht. Er war fromm aus tiefinnerster Ueberzeugung und erfüllte strengstens die Pflichten der Religion.

Andreas Hofer.
Nach dem Gemälde von Wachter.

Das Passeierthal, bis zu seiner westlichen Abzweigung am Fuße des Jaufens, hat ein äußerst angenehmes Klima, in den sonnig gelegenen Hausgärten blühen bis weit in den Spätherbst die Rosen. Die Thalebene ist durch die Passer arg verwüstet, auf allen Geländen aber, auf allen Blößen stehen die sauberen Häuser und Hütten, der Unterteil gemauert, der Oberbau aus Stämmen gezimmert, und in den Dachluken eine Menge von Nelkenstöcken, denn der Bursche liebt es, solange es nur angeht, sich vom Diendl einen frischen Strauß auf den Hut stecken zu lassen. Auch der fremde Gast wird bei einem Besuche selten ohne eine Blumenspende verabschiedet. Herrliche Hochgebirgsscenerien bietet der Hinterpasseier, mit seinen prächtigen Waldungen, den Wasserfällen, Alpen und Firnern. In Außerpasseier findet sich noch Obst und Getreide; die Rebe rankt sogar an manchen Häusern. In Hinterpasseier hingegen leben die Leute nur von der Viehzucht und in manchen Seitenthälern schneien sie im Winter vollständig ein. Einem alten Rechte zufolge kommen die Passeirer dreimal im Winter mit einer Masse von Schafen und Ziegen nach Meran, welche sie selbst schlachten und auf offener Straße ausschroten.

Die Passeirer zeichnen sich aus durch hohen Wuchs und schöne Haltung, durch einen robusten, abgehärteten Körperbau und eine seltene Kraft. Die Leute sind religiös, verständig, manchmal sogar verschlagen, und in Handelsgeschäften außerordentlich gewandt.

Die Passeirer, wegen ihrer Treue und Anhänglichkeit an den Landesfürsten rühmlichst bekannt, genossen die Gunst, daß gewisse Höfe zu „Schildhöfen“ ernannt wurden, die heute noch bestehen. Bei besonders feierlichen Anlässen bildeten die Schildhöfler die Leibwache der Fürsten, und es wurde erst in jüngster Zeit den Passeirern während der Anwesenheit des Kaisers in Tirol diese Ehre zu teil.

Ein Volksbrauch hat sich in Passeier auch noch erhalten, der bemerkenswert ist: „der Ehehaftthading“. Es ist dies ein Volksgerichtstag, an welchem sich die Leute in St. Leonhard versammeln und ohne jeden juridischen oder richterlichen Beistand Streitigkeiten schlichten, Verträge und Geldgeschäfte abschließen etc.

Schildhöfe bestehen heute noch elf. Die Schildhöfler waren die einzigen im Thale, welche dem Rufe zum Ehehaftthadingtag keine Folge zu leisten brauchten. Es braucht wohl kaum erwähnt zu werden, daß im Jahre 1809 die Passeirer infolge ihrer Ausdauer, ihrer Kühnheit und Verschlagenheit zu den Elitetruppen Hofers gehörten, und allenthalben finden sich in den Häusern noch Waff und Wehr, mit welchen die Vorfahren einst ausrückten unter dem „Hofer Anderl“, dem „Sandwirt von Passeier“.


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Fortschritte und Erfindungen der Neuzeit.

Ein Lichtprüfer für Arbeitsplätze.

Ungenügende Beleuchtung bei Arbeiten, die ein genaueres Sehen erfordern, wie Lesen und Schreiben, verdirbt die Augen. Der Arbeitende wird, um deutlich sehen zu können, gezwungen, die Schrift dem Auge näher zu bringen. Dieses Nahesehen führt aber bei vielen zur Entstehung oder Vermehrung der Kurzsichtigkeit. Es ist darum von hoher hygieinischer Bedeutung, in Schulen und in Familienhäusern auf eine genügende Beleuchtung der Arbeitsplätze zu achten. Sehr willkommen wird aus diesem Grunde Lehrern und Eltern ein von Prof. Dr. Hermann Cohn in Breslau hergestellter Apparat sein, der auch den Laien in stand setzt, die Beleuchtung eines Arbeitsplatzes zu prüfen.

Unsere Abbildungen veranschaulichen die Zusammenstellung des Apparates.

Er besteht zunächst aus dem hölzernen Teil (A), der vor Augen gebracht wird. Derselbe ist mit einem Kästchen aus Pappe (B), das alles Seitenlicht von den Augen abhält, und einem hölzernen Handgriff (H) versehen. Ferner sind an dem senkrechten Teil des Holzkörpers drei emporklappbare graue Gläser (G1, G2 und G3) angebracht. Daran schließt sich ein metallener, in Centimeter geteilter, 40 cm langer Maßstab an. Er ist in zwei Hälften (M1 und M2) zerlegt, welche durch eine Schraube (Q) miteinander verbunden werden können. Am Ende des Maßstabs sehen wir einen Schieber (E) mit zwei messingenen Klammern (K), die das Kartontäfelchen (P) festhalten. Auf dem letzteren befinden sich zwölf senkrechte Reihen von je dreißig sehr klein gedruckten vierstelligen Zahlen.

Diesen Apparat kann nun jeder zur Prüfung der Beleuchtung der Arbeitsplätze benutzen, der imstande ist, an hellen Mittagsstunden, mit dem Rücken gegen das Fenster gewandt, alle Ziffern in 40 cm Entfernung leicht und fließend zu lesen, gleichviel ob er dies mit bloßem Auge oder mit Hilfe der Brille fertig bringt. Wer dies jedoch nicht vermag, der kann die Lichtprüfung nicht selbst vornehmen, sondern muß sich jemand dazu auswählen, der dies kann, und zwar am besten jemand, der die Aufgabe ohne jede Brille löst, was jeder normale Schüler zu thun leicht imstande sein wird.

Die Prüfung geschieht in folgender Weise. Der Untersuchende liest, während die grauen Gläser am Apparat aufgeklappt sind, am Fenster eine der senkrechten Reihen laut und so schnell er kann von oben nach unten vor. Dabei werden aber die Zahlen nicht als vierstellige, sondern als zweistellige ausgesprochen. 2463 wird z. B. vierundzwanzig, dreiundsechzig vorgelesen. Die Zahlen sind so gewählt, daß jede zweistellig ausgesprochene je vier Silben enthält. Ein Gehilfe mit der Sekundenuhr steht dabei und giebt dem Untersuchenden das Zeichen, wann er mit dem Lesen einer senkrechten Reihe beginnen soll; er unterbricht aber das Weiterlesen der Zahlen, welche in einer Reihe untereinander stehen, sobald eine halbe Minute vorüber ist, und notiert, wie viel vierstellige Zahlen in der beschriebenen Weise in 30 Sekunden vorgelesen worden sind.

Dies hängt nicht nur vom deutlichen Sehen, sondern auch von dem Temperament des Vorlesenden ab. Der eine bringt es in einer halben Minute auf 20, der andere vielleicht auf 30 Zahlen.

Nehmen wir nun an, daß der betreffende Untersuchende 20 Zahlen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 727. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0727.jpg&oldid=- (Version vom 28.1.2024)