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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Die Gartenlaube
Sonderbeilage zu Halbheft 27, 1899.
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Die Buren in Südafrika.

III.
Unzufriedenheit unter den Buren. Empörung im Jahr 1880. Erstürmung des Majubabergs. Herstellung der Unabhängigkeit nach dem Sieg.

Der erste Eindruck, den die Nachricht von der Einverleibungserklärung des 12. April 1877 auf die Buren hervorrief, wird von einem Berichterstatter dahin zusammengefaßt: „Die Buren empfanden den Vorgang zunächst als eine gerechte Strafe des Himmels für ihre Zwietracht und verhielten sich im Gefühl der Selbstverschuldung thatlos.“ Die Beamten blieben in ihren Stellungen und leisteten der Königin Viktoria den Treueid; selbst Männer wie Paul Krüger und Dr. Jorissen thaten dies; aber der Grund war nicht Charakterlosigkeit oder armseliges Hangen an Amt und Gehalt, sondern die Treue gegen ihr Volk, das sie unter keinen Umständen verlassen wollten und dem sie am besten dienen konnten, wenn sie ihr Schicksal keinen Augenblick von dem seinigen trennten. Dem Präsidenten Thomas Burgers freilich ward es sehr verübelt, daß er einen englischen Ruhegehalt annahm und bis an seinen Tod fortbezog; man hielt ihn vielfach für einen Verräter, und sein Eintreten für den Südafrikanischen Bund, von dem bereits gesprochen worden ist, schien den Verdacht zu bestätigen, obwohl Burgers diesen Bund ohne Zweifel anders verstanden hat als Lord Carnarvon. Bemerkenswert ist, daß englische Federn jetzt, wo der Schlag gefallen war, es offen aussprachen, daß es gegolten habe, zu verhüten, daß das Deutsche Reich, dem Burgers auf seiner Reise die Schirmherrschaft über die Republik ohne Erfolg angetragen hatte, doch noch auf dieses Angebot zurückkomme. Wenn später (1885) Betschuanaland für eine britische Kolonie erklärt wurde, so geschah es auch vor allem, um zwischen Deutsch-Südwestafrika und die Buren einen Keil zu treiben.

Ansicht von Kimberley.

Einzelne Buren, die sich England unter keinen Umständen unterwerfen wollten, griffen nun wieder zu dem alten Mittel zu „trekken“ und machten sich mit Weib und Kind nordwärts auf, um neue Siedelungsplätze zu suchen; wieder sah man die 4 Meter langen, mit undurchdringlicher Leinwand überspannten Ochsenwagen sich in Bewegung setzen; wieder erscholl der Ruf: „Gras und Freiheit!“ Aber die Masse blieb diesmal im Lande. Auf einen Teil wirkten die Versprechungen der Engländer, daß man den Buren die weitestgehende Selbstverwaltung belassen und in der „gesetzgebenden Versammlung“ – welche den Volksrat ersetzen sollte – den Gebrauch der holländischen Sprache neben dem der englischen gestatten, auch für Eisenbahnen, Telegraphen, Wege und Schulen sorgen werde. Wenn diese Verheißungen erfüllt wurden, so mochte es geschehen, daß die Buren für den Verlust der vollen Selbständigkeit durch wichtige wirtschaftliche und kulturelle Fortschritte entschädigt wurden, die selbst den konservativsten unter ihnen einleuchten mußten, und daß sie dabei in ihrem eigenen Lande doch so ziemlich ungestört blieben. Die Mehrzahl aber hoffte, daß, wenn nur erst der Statthalter der Kapkolonie, Sir Bartle Frere, und Lord Carnarvon erführen, daß die von Shepstone vorgenommene Scheinabstimmung die wahre Gesinnung der Mehrheit der Transvaaler nicht widerspiegle, die Einverleibung von England freiwillig zurückgenommen werden würde. Zweimal, im Jahr 1877 und 1878, sind zuerst Krüger und Dr. Jorissen, dann Krüger und Joubert in London gewesen und haben dort den urkundlichen Beweis geführt, daß 6591 Burghers mit ihrer Unterschrift nachträglich gegen die Einverleibung vom 12. April protestiert hätten, also fast dreimal so viel Männer, als nach Shepstone für diesen Schritt sich ausgesprochen hatten. Aber beidemal gab man in London den Abgesandten die Antwort, daß die Sache jetzt unter keinen Umständen wieder rückgängig gemacht werden könne, und vertröstete die Buren mit neuen Zusagen von ähnlichem Inhalt wie die erwähnten. Allein diese Versprechungen wurden – abgesehen davon, daß das Parlament 2 Millionen Mark „für die dringendsten Bedürfnisse Transvaals“ verwilligte und damit den Verpflichtungen des Augenblicks genügt wurde – nicht eingelöst; namentlich wurde den Buren keinerlei Möglichkeit der Mitwirkung am Landesregiment eröffnet; vielmehr schalteten die königlichen Kommissäre – zuerst Shepstone, dann der barsche und rücksichtslose Oberst Lanyon – mit absoluter Gewalt im Lande. Der Krieg gegen den Häuptling der Bapedis, Sekokuni, der gefangen ward, und gegen den Zulukönig Ketschwayo, der nach anfänglichen Siegen im Februar 1879 das gleiche Schicksal erlitt, gab England Anlaß, immer mehr Truppen nach Südafrika zu werfen und die Städte Pretoria, Potschefstroom, Lydenburg, Standerton u. a. mit englischen Besatzungen zu belegen. General Wolseley, der zum Oberfeldherrn im östlichen Teil Südafrikas ernannt ward, that im September 1879 den Ausspruch: „Transvaal wird englisch bleiben, solange die Sonne scheint.“ Als endlich die neue Verfassung des Landes bekannt gemacht ward, enthielt sie zwar eine „Volksvertretung“; aber diese war ein Hohn auf ihren Namen: nicht ein einziger frei gewählter Abgeordneter sollte in ihr sitzen, sondern neben königlichen Beamten sechs Landesangehörige, „welche die Regierung nach ihrem Gutdünken ernennen werde“. Ein deutlicheres Zugeständnis, daß Englands Herrschaft im Volk keinen Boden habe und jede freie Wahl ihr gefährlich werden müsse, ist nicht denkbar.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 836_i_1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0836_i_1.jpg&oldid=- (Version vom 27.11.2021)