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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

woher die Bezeichnung „Duc d’Albe“ stamme, so versichern sie guten Glaubens in hundert Fällen neunundneunzigmal, daß der Herzog von Alba bei seinen Kriegsfahrten in den Niederlanden solche Zusammenstellungen riesiger in den Stromgrund eingerammter Baumstämme erfunden habe. Das ist aber gar nicht der Fall. Der spanische Feldherr unangenehmen Angedenkens hatte ganz andere Dinge im Kopf; ihn gelüstete jedenfalls nicht nach Lorbeeren auf dem Gebiete der Wasserbaukunde. „Dalle“ oder „Dolle“ ist die altniederdeutsche Bezeichnung für einen Pfahl; die Pflöcke am Bordrand des Bootes, zwischen denen die Ruder sich bewegen, heißen noch heutzutage an der norddeutschen „Wasserkante“ Dollen. „Diek“ ist Deich. Aus „Diekdollen“, Deichpfählen, ist seltsamerweise das französisch klingende Wort „Duc d’Alben“ gebildet worden. Wiederholte Versuche selbst sehr einflußreicher Männer der Hansestadt, diesem Ergebnis der Sprachforschung Geltung zu verschaffen, blieben gänzlich fruchtlos: die „Duc d’Alben“ behielten im Hamburger Hafen das im Laufe von Jahrhunderten nun einmal erworbene Bürgerrecht. – Viel gefangen wird aber keineswegs in ihrer Nachbarschaft. Nach stundenlangem Harren und Lauern lohnen den Sonntagsangler kaum einige winzige Weißfischchen, Rotaugen oder sonstiges Fischgesindel; nur höchst selten entzückt ihn „en ord’ntlichen Brassen“ (Barsch), der der Zubereitung daheim wert erscheint. Schadet nichts, es ist doch zu herrlich, nach angestrengter Alltagsarbeit hier gemütlich auf die gelbe Flut zu starren, dabei im „Brösel“ (Pfeifchen) den „shag“ (kurzgeschnittenen, sehr starken Tabak) zu schmauchen und das bunte Gewimmel auf der Fährbrücke daneben an sich vorüberziehen zu lassen.

Angler an den „Duc d’Alben“.

Selbst das Scherzwort des hinzutretenden guten Bekannten: „Na, Tetje, du leerst woll de Metten dat Swemmen?“ (Nun, Theodorchen, du lehrst wohl die Regenwürmer das Schwimmen?) beantwortet der Sportfreund höchstens mit dem althamburgischen Wahlspruch unverwüstlichen Phlegmas: „Reg di man nich op!“ (Reg’ dich nur nicht auf!)

Gleiche Weisheit dürfte auch die Lebensrichtschnur des wackern Alten sein, der, auf dem Heck seines Ewers sitzend, die Füße auf die „Gangspill“ (Ankerwinde) gestützt, die schönen arbeitsfreien Stunden benutzt, um einmal wahrzunehmen, wie es „auf dem festen Wall“ (am Lande) aussieht, denn das interessiert ihn mehr als der ungeheure Dreimaster hinter ihm, den das Schwimmdock aufs Trockene gehoben hat, damit der Rumpf kalfatert und mit neuen Platten versehen werde. Was mag der Schiffsmann lesen? – Je nun, seine Geistesnahrung ist höchst verschiedener Art. Sie wird ihm unentgeltlich geliefert. An dem einen Sonntag „wrickt“ ein Kahn heran (wricken heißt die Fortbewegung des Fahrzeuges durch ein einziges schraubenartig am Bug gedrehtes Ruder), aus dem ein Mann mit roter Halsbinde ein Flugblatt an Bord wirft, das den „Arbeitsbruder“ feurig beschwört, „sich zu organisieren“, oder ihn dringend ermahnt, ausständigen Genossen nicht in den Rücken zu fallen, vielmehr ein Scherflein zu ihren Gunsten zu spenden. An dem andern Sonntag überreicht aus der vom Benzinmotor getriebenen Missionsbarkasse ein schwarzgekleideter freundlicher Herr mit weißer Krawatte ein christliches Wochenblatt oder eine Erbauungsschrift für die, denen der Kirchenbesuch unmöglich ist. So berühren sich die Extreme. Der Alte studiert sicherlich beide Litteraturerzeugnisse mit gleich großem Bedacht von Anfang bis zu Ende; was wüßte er heute, am Ruhetage, besseres anzufangen!

Lesestündchen.

Nichts gekostet haben auch die Pläne von Hamburg nebst Vergnügungsanzeiger, die die soeben von Orten der Umgegend angekommenen Ausflügler in den Händen halten; auf der letzten Eisenbahnstation sind solche Empfehlungen in Masse gratis in alle Wagen geschleudert worden. Zum Hafen sind die Besucher glücklich gelangt; wo ist aber nun der Abfahrtsort der Vergnügungsdampfer? Die kleinen „schnuddeligen“ Dinger da unten beim Baumwall können’s doch nicht sein? „Nein, lieber Herr,“ meint höflich der um Rat gefragte Schutzmann, „das sind Schlepper. Die spannen sich wochentags vor die großen Segelschiffe oder vor die mit Waren beladenen Schuten und bugsieren sie dahin, wo es gewünscht wird. Heute ruhen sie aus. Sehen Sie ’mal: hier immer längs der Wasserkante, bei den alten Häusern da mit den spitzen Giebeln, führt der Weg. Nach und nach kommen dann die Landungspontons. Dort steht auf Tafeln, wohin es geht: Hafenfähre, Hafenrundfahrt, Harburg, Neumühlen, Oevelgönne, Nienstedten, Dockenhuden, Blankenese, Stade, Glückstadt, Cuxhaven, Helgoland.“

„Hurra, da können wir nicht fehlen!“ ruft der flotte Junge. So geht es denn entlang den „Vorsetzen“, an den beflaggten Masten vorbei – am Sonntag muß jedes Schiff mindestens die Flagge seines Landes hissen, so will es der Brauch. Staunend betrachten die Kinder namentlich auch die Erdgeschosse der

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 891. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0891.jpg&oldid=- (Version vom 31.8.2020)