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Carl Wilhelm Otto August von Schindel: Die deutschen Schriftstellerinnen des neunzehnten Jahrhunderts, Zweiter Theil, M-Z

Erzählte oder hörte sie eine menschliche Edelthat, so glänzte ihr Auge wie von ätherischem Lichte feurig, bis eine Thräne den Glanz milderte. Auch in ihrem hohen Alter besaß sie noch ungeschwächt die volle jugendliche Zartheit und Wärme ihres gefühlvollen Herzens; die schönsten und hinreißendsten Stellen ihrer Schriften sind die, wo sie ihr ganzes volles Herz in dem Drange der Empfindungen reden läßt. Aber es war nicht blos Empfindungen, sie war rastlos strebend im moralischen Gebiet Gutes und Heilsames zu stiften, Sinn für Edelmuth und seine Gefühle zu erwecken und zu nähren. Sie war gastfreundlich im hohen Grade, ohne zu ermüden, wiewohl sie durch die erwähnten zahlreichen Besuche oft in Anspruch genommen wurde. Die Bücher ihrer zahlreichen Sammlung standen Allen zu Diensten, und sie war im eigentlichen Sinne mittheilungssüchtig, indem sie sie nicht blos einzeln, sondern oft dutzendweise verlieh und zu sagen pflegte: „wie viel Gutes kann ein gutes Buch stiften oder wecken, das versäumt wird, während es ungelesen in meinem Bücherbret steht!“ Ihres religiösen Sinns mit festem Vertrauen zur Vorsehung ist schon oben erwähnt worden. Mit den meisten menschlichen Wissenschaften und Kenntnissen nicht nur oberflächlich, sondern auch zum Theil gründlich bekannt, hatte sie ein in ihrem Wesen gleichsam eingewebtes vorzügliches Wohlgefallen an drei Gegenständen, erstlich: an allem, was zur Naturgeschichte und Naturlehre gehört, daher ihr fast enthusiastisches Wohlgefallen an der Pflanzenwelt, und ihre außerordentliche Vorliebe für de St. Pierre’s Schriften, aus dessen Naturbetrachtungen

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Carl Wilhelm Otto August von Schindel: Die deutschen Schriftstellerinnen des neunzehnten Jahrhunderts, Zweiter Theil, M-Z. F. A. Brockhaus, Leipzig 1825, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_deutschen_Schriftstellerinnen_(Schindel)_II_199.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)