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Carl Wilhelm Otto August von Schindel: Die deutschen Schriftstellerinnen des neunzehnten Jahrhunderts, Zweiter Theil, M-Z

war, wurde für sie zu einem geistigen höchst wohlthuenden Lebenselement. Nach zwei Jahren verheirathete sich die Tante mit dem Major v. Winanke, der in Potsdam wohnt, und wünschte Fanny bei sich zu behalten: aber da deren innigste Liebe sich nicht zu längerer Trennung entschließen konnte, so kehrte sie ins älterliche Haus zurück; – ohne die geliebte Tante, die ihr immer ein Gegenstand inniger Verehrung und Liebe blieb, die sie mit der zärtlichen Liebe für ihre Mutter vereinigte. In diesem Zeitpunct fing sie an ihre Empfindungen in kleinen Liedern und Aufsätzen auszusprechen, die sie zum Einrücken in die Monatsschrift v. u. f. Mecklenburg an die Redaction sendete: allein die Freude selbst, etwas von sich gedruckt zu sehen, entriß ihr das Geheimniß ihrer Schreiberei nicht; sie wollte keine Schriftstellerin werden, und mit größtem Fleiß suchte sie Fertigkeiten in weiblichen Handarbeiten und alle zur Führung eines Hauswesens nöthige Kenntnisse sich einzusammeln. Ein Lächeln mag es wohl erregen, daß sie in ihrem 11ten oder 12ten Jahre unter der Maske eines alten Landpredigers lebhaften Antheil an einem Streite nahm, der in der erwähnten Monatsschrift über die Einführung eines neuen Gesangbuchs geführt wurde. Einsam und unbeachtet wie sie es war, übersehen im Kreis ihrer blühenden talentvollen Jugendgespielinnen, schüchtern, schwermuthsvoll und voll schwärmerischer Begeisterung für alles, was sich ihrem Sinn als schön und gut entgegenstellte, ahnte keinem, was sie sorgsam zu verbergen strebte. Seit ihrem 12ten Jahre genoß sie einer seltnen Unabhängigkeit, da sie fast immer

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Carl Wilhelm Otto August von Schindel: Die deutschen Schriftstellerinnen des neunzehnten Jahrhunderts, Zweiter Theil, M-Z. F. A. Brockhaus, Leipzig 1825, Seite 356. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_deutschen_Schriftstellerinnen_(Schindel)_II_356.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)