Seite:Die preussischen Bürger des jüdischen Glaubensbekenntnisses 12.jpg

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zu geniren, zu befangen und unnatürlich sich geriren zu lassen, ihrem eigenen Genius überläßt.

Ich habe nie viel auf die Lehren gegeben, die die Menschheit aus der Geschichte empfangen; man hat sich so lange gewöhnt, ihre Warnungen sich vorhalten zu lassen, bis man diese selbst zur Phrase erniedrigt hat.

Ich schmiede aus ihr keine Donnerkeile der Drohung. Als ob wir nicht wüßten, daß die Männer des Gesetzes erfahren sind in Welt- und Religionsgeschichten, Herzen haben, die mit Theilnahme den historischen Leiden der Nationen gefolgt sind und die Schicksale ihrer eigenen Religion mit tiefem Interesse verfolgen. Und diese soll ich erst erinnern, daß ihnen selbst einst alles das zum Vorwurf ward, wessen man uns anklagt, daß Justinus Martyr[1] einen Juden zum Zeugen aufruft, dafür, daß die christliche Religion kein Menschenblut zu ihren Opfern heische, daß Athenagoras[2] klagt „Alle Religionen haben Freiheit, den Heiden ist es erlaubt über Alles zu reden und zu schreiben, nur uns nicht“ „nur wir werden verfolgt und gequält und des Namens wegen feindlich behandelt;“ daß Tertullianus[3] sich gegen den Vorwurf „sie bildeten einen Staat im Staate“ sich vertheidigt und daß Origenes[4] sagt „nichts unvernünftiges sind Verbindungen für die Wahrheit der Meinung, wenn man in einem Staate lebt, der sie verschmäht.“ Als man den Christen vorwarf, sie seien nicht nutzvoll genug im Staate, können wir anders als Tertullianus[5] für jene thut, antworten: „Aber wir werden noch unter einem andern Vorwande ungerechter Handlungen verklagt, werden nutzlos im Geschäftsleben genannt … Aber wir nehmen eben so Theil an den Krammärkten, Fleischbänken, Buden, Läden, Werkstätten, Herbergen, Wochenmärkten und übrigem Handel; wir schiffen mit Euch, sind Soldaten und bebauen das Land und treiben Handel; wir üben Künste und veröffentlichen unsere Werke zu Eurem Nutzen. Auf welche Weise wir nun nutzlos erscheinen könnten Eurem Geschäftsleben gegenüber mit dem und von dem wir leben, weiß ich nicht. Aber wenn ich Deine Gebräuche nicht achte, so bin ich doch an jenem Tage ein Mensch.“

Anmerkungen

  1. 2) Dialog. cum Tryphon. ed. Mon. S. Mauri. Hagae Comit. 1742 fol. p. 111. „Glaubst du auch,“ sagt Justin, „daß wir Menschen essen und auslöschend die Lichter nach dem Mahle in unziemlichen Lüsten uns wälzen.“ Tryphon antwortet: „Was die Menge sagt, verdient keinen Glauben; denn es widersteht bei Weitem der menschlichen Natur.“
  2. 3) Legatio pro Christian. ed. S. Maur. p. 279. 80. 85.
  3. 4) Der Vorwurf findet sich: Apologet. advers. gentes. ed. Pameliana p. 66.
  4. 5) Contra Celsum lib. I. opp. omn. ed. de la Rue I. 320. Leo in der Geschichte von Italien 1. 135. führt das weiter aus. Den Juden würde er ein Verbrechen daraus gemacht haben.
  5. 6) cap. 42. p. 72. „Sed alio quoque injuriarum titulo postulamur et infructuosi in negotiis dicimur, quo pacto homines vobiscum degentes ejusdem victus, habitus instructus ejusdem ad vitam necessitatis… Itaque non sine foro, non sine macello, non sine balneis, tabernis, officinis, stabulis, nundinis vestris, caeterisque commerciis cohabitamus in hoc seculo. Navigamus et nos vobiscum et militamus et rusticamur et mercamur; proinde miscemus artes, opera nostra publicamus usui vestro. Quomodo infructuosi videamur negociis vestris, cum quibus et a quibus vivimus, non scio. Sed si ceremonias tuas non frequento, attamen illa die homo sum.“