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„Eine Bajadere! Ich bitte Dich!“

Er schüttelte den Kopf. In diesem Augenblick ging der Vorhang wieder auf. Die Tragödie nahm ihren Fortgang. Meine Entrüstung wuchs. Madora erschien trotz ihres schimpflichen Gewerbes im vollsten Glorienscheine der Poesie. Ihre „edle Natur“, ihre „schöne Weiblichkeit“ ward nachdrücklichst vom Dichter betont. Ich war starr vor Verwunderung. Die indischen Frauen applaudirtens beim Aktschluß mit einer Vehemenz, die mich wie kaltes Wasser überschauerte.

„Mahaguma,“ sagte ich, „eure Dramatiker sind schamlose Gesellen!“

„Wie verstehe ich das?“

„So etwas übersteigt doch das Mögliche! Eine käufliche Dirne als Heldin einer Tragödie — und in welchem Stile behandelt!“

„Aber ich weiß in der That nicht…“

„Pfui, pfui!“

„Du scheinst an einem gesellschaftlichen Institute Anstoß zu nehmen, das in Hindostan durchaus nicht als verwerflich betrachtet wird. Die Bajaderen sind ganz wohlgeachtete Mädchen. Es ist durchaus nicht schimpflich, sich diesem Stande zu widmen. Die Töchter der besten Familien…“

„Schweig’! Ich habe genug von euren Dramatikern. Komm mit nach Deutschland; es ist just noch Zeit für heut’ Abend … Ich will Dir doch zeigen, was wir unter der sittlichen Aufgabe der Bühne verstehen! Komm, ich beschwöre Dich!“

„Gut, mir soll’s nicht darauf ankommen; meine Kritik für’s ‚Grüne Bambusrohr‘ ist ja fertig. Wohin also?“

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Ernst Eckstein: Dudler und Dulder. Leipzig, 1893, Seite Seite: Dudler und Dulder 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dudler_und_Dulder_28.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)