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Das Bild bestrickt, so lange es neu ist. Wenn es dann von einer bis zwei Generationen gebraucht ist, wird es ein Gemeinplatz, ein Plunder, eine Lächerlichkeit. Man sehe Voltaire mit seiner lockeren Sprache, seiner nervichten Satzbildung ohne Adjektive, die erzählt und nicht schildert: er bleibt verhältnißmäßig jung. Man betrachte Rousseau: diese Bilder, diese leidenschaftliche Rhetorik: er hat Seiten, die geradezu unerträglich sind. Wir vollends, die wir Sätze wie Marmor feilen und von den Worten den Duft der von ihnen ausgedrückten Gegenstände verlangen, wir haben Rousseau überholt. Das Alles packt uns, wir finden es ausgezeichnet, es ist vollendet schön. Aber was werden unsere Enkel dazu sagen? Ihre Art und Weise zu fühlen wird sich geändert haben, und ich bin überzeugt, einzelne unserer Wendungen werden ihnen Entsetzen einflößen. Fast Alles wird dann veraltet sein. Ich will Niemand nennen: aber ich habe mich oft gefragt, wem von uns gegenüber die Nachwelt sich am strengsten erweisen werde, und ich glaube, gerade die größten werden am schlimmsten wegkommen.“

So weit Zola auf einem verwandten Gebiet. Was er von Stil, von der äußern Form sagt, das gilt bis zu einem gewissen Grade vom Kunstwerk überhaupt …

Und, wie kommt das denn? Weshalb ist denn das Schöne nicht absolut? Weil es in letzter Linie nur eine Emanation des Menschlichen ist, und weil sich das Menschliche fortwährend in der Entwicklung befindet.

Dieser Zusammenhang leuchtet auch dem befangensten Laien ein, wenn es sich um die Schönheitsideale der bildenden Kunst handelt. Die Kunst aber ist Eine; die Künste sind nur die verschiedenen Aggregationszustände der Ur-Kunst.

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Ernst Eckstein: Dudler und Dulder. Leipzig, 1893, Seite Seite: Dudler und Dulder 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dudler_und_Dulder_35.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)