Seite:Epple keller 08.jpg

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„Komm, jetzt wollen wir miteinander Noten lernen.“ Über diesen Antrag wurde er ganz mißmuthig und sprach: „Ich mag doch die Noten gar nicht lernen, weil ich keine Geige habe. Gelt, du hast gesagt, in 8 Tagen würdest du eine bekommen, aber noch ist keine da und wird auch keine kommen!“ „Wenn sie aber schon da wäre,“ erwiderte ich ihm und ging hinaus, sie zu holen. Als er das kleine, nette Ding sah, war er ganz außer sich vor Freude. Er sprang und hüpfte, küßte und drückte bald mich, bald das Geiglein, bald seine Mutter, die gleich mir der Thränen sich nicht erwehren konnte. Ich mußte ihm gleich das Geiglein stimmen und die meinige zur Hand nehmen. Er suchte begierig die Töne, die ich ihm langsam anspielte, und fand sie auch größtentheils zu seinem hohen Entzücken. Als er nachts zu Bett gelegt wurde, bat er, sein Geiglein auch bei ihm schlafen zu lassen. Man legte es neben ihn und er schaute es an und liebkoste es, bis er einschlief. Morgens, beim Erwachen, fragte er nicht wie sonst, nachdem er jedesmal zuvor sein kurzes Gebet verrichtet hatte, nach dem Frühstück, sondern gleich nach seinem Geiglein. Noch im Hemdchen, ehe er sich anziehen ließ, fing er an zu spielen. Er lernte nun über Hals und Kopf die Noten. In einigen Tagen konnte er schon mehrere Dur-Tonleitern spielen. Da ich aber, wie

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Epple: Eduard Keller, Erinnerungen aus seiner Kindheit. Stuttgart: Kohlhammer 1904, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Epple_keller_08.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)