Seite:Epple keller 30.jpg

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eine Nummer aus Tankred vortragen, hierauf eine Art Polonaise, und man lobte ihn sehr. Nun wurden ihm aber Noten aufgelegt, die aus dem Musikkasten des Theaters genommen waren. Der Kleine sah die Violinstimme verwundert und begierig an. Aus welcher Komposition dieses Tonstück war, wußte ich nicht und mochte auch nicht danach fragen. Die Mutter des Kindes, sein Lehrer und ich hielten uns ferne, um ja nicht zudringlich zu erscheinen. – Als der Knabe seine Stimme durchgesehen und umgeblättert hatte, sagte er zum Herrn Kapellmeister: „Sie, aber da sieht es so finster aus wie in einem dicken Tannenwald, bei diesen Noten. Es sind ja fast lauter Triolen, sechzehntel, zweiunddreißigstel und sogar vierundsechzigstel Noten. Diese kann ich einmal nicht so geschwind zeigen, obwohl Adagio vorgezeichnet ist.“

„Das sollst du auch nicht, lieber Kleiner. Geig du nur die Noten so geschwind als du kannst, denn die Herren und ich wollen nur wissen, ob du alle Noten, außer den deinigen, recht kennst“, antwortete der Herr Kapellmeister. Der Kleine wurde nun über das Tempo, die Tonart u. s. w. gefragt. Nachdem er seine Antworten hierüber genügend gegeben hatte, sagte der Herr Kapellmeister: „Nun geige die Noten nacheinander her und zeige uns, daß du sie richtig lesen gelernt hast.“ Der Knabe strich die Saiten seiner Geige,

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Epple: Eduard Keller, Erinnerungen aus seiner Kindheit. Stuttgart: Kohlhammer 1904, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Epple_keller_30.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)