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allzuwenig Sympathien finden wollen für das alte Stammland, das, wenn ihm nicht Liebe geschenkt wird, doch Gerechtigkeit beanspruchen könnte. In der vorzüglichen Kaiserrede des Kirchenhistorikers D. Gustav Anrich an der Kaiser Wilhelms-Universität Straßburg (27. Januar 1916), die besonders durch ihre mit genauestem Fleiße zusammengetragenen Literaturnachweise wirkt und Beachtung verdient, ist nachgewiesen, wie trotz der Gegenarbeit evangelischer Beharrlichkeit, die das Deutschtum durchretten wollte, das Ziel des françiser la population alsacienne (Präfekt Chanal 1849), des conquerir l’Alsace à la langue francaise – la langue nationale (Delkassé 1899), erreicht ward. Das Urteil des Literarhistorikers Taillandier 1857 scheint richtig: L’Alsace allemande par les habitudes de l’ésprit, elle est profondement française par coeur. In den einfachen Fragen eines elsässischen Volksfreundes meint zwar Adolf Stöber, das System der Entdeutschung sei ein verfehltes gewesen. Das tiefste Herz sei doch bei Deutschland, ihm sei die Liebe stets geblieben. Aber noch ist die Sprache der Kinder, auch der einfacheren Kreise französisch, die Frauen des gebildeten Mittelstandes, weil sie weder in ihrem Dialektdeutsch noch in dem schulmäßig gelernten und wie fremdartig gebrauchten hochdeutsch sich offen bewegen mögen – nous cesserons de plaire! – sprechen gerne die fremde Sprache; die Institute über der Grenze werden bevorzugt, die Vermählungen französischer Nobilität mit den Töchtern des Landes gesucht und begehrt, man hört da, in den französischen Schulen werde „mehr gelernt“, weil der Schein und das Scheinwesen, die Gewandtheit und Einprägung fertiger Ergebnisse gefördert wird, man vernimmt dort, daß den alten Gerechtsamen in Kirche und Gemeinde vor der französischen Zeit zartere und verständnisvollere Rücksicht erwiesen worden sei. Das Bedürfnis nach Anlehnung in den Reichslanden

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Hermann von Bezzel: Erinnerungen aus Berufsreisen an die Front. Krüger & Co., Leipzig 1917, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erinnerungen_aus_Berufsreisen_an_die_Front_21.png&oldid=- (Version vom 19.7.2016)