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II. Helgo. 67


 ihre mannbar gewordene Tochter absichtlich an den Strand und liess den Vater sie durch Beischlaf entehren. Mag dieser auch seinen Leib der Lockung einer verführerischen Lust hingegeben haben, so darf man doch nicht glauben, dass er alles menschliche Gefühl von sich geworfen habe; denn eine begründete Entschuldigung für seine Verirrung lag für ihn in der Unkenntnis. Die Mutter war sinnlos, die ihrer Tochter Keuschheit verloren gehen liess, um den Verlust ihrer eignen zu rächen und sich nicht um die Ehre ihres Kindes kümmerte, wenn sie nur den zur Blutschande trieb, durch den sie früher ihre Jungfrauschaft verloren hatte. Wilden Sinnes war die Frau, die gewissermassen eine zweite Schändung ihrer selbst über sich verhängte, um ihren Entehrer zu strafen, denn gerade dadurch minderte sie nicht das Unrecht, sondern liess es noch mehr anwachsen. Denn wodurch sie Rache zu finden meinte, dadurch baute sie sich selbst eine Schuld, und während sie von einem Schaden sich befreien wollte, fügte sie noch eine Sünde hinzu, weil sie wie eine Stiefmutter an ihrem eigenen Kinde handelte, das sie der Schande preisgab, um ihre eigene Schande zu sühnen. Schamlosigkeit muss das Wesen ihres Sinnes gewesen sein, dass sie sich so weit von dem sittlichen Gefühle verirren konnte, dass sie sich nicht scheute, Trost für die ihr angethane Unbill in der Schande der Tochter zu suchen. Gross war die Sünde, aber sie fand darin eine Sühnung, dass ein glücklicher Spross die Schuld des Beilagers austilgte, dass sie zwar schaurig zu berichten, aber in ihrer Frucht nicht ohne Freude gewesen ist. Denn Rolw, der Sohn der Ursa, hat die Schmach seiner Geburt durch strahlende Werke der Tapferkeit getilgt; den unvergleichlichen Glanz dieser Thaten feiert aller Zeiten Gedächtnis in herrlichen Ruhmesliedern. So nimmt zuweilen ein trauriger Anfang ein fröhliches Ende, und was mit Schande begonnen, entwickelt sich zu einem schönen Ausgange. Somit war die Verirrung des Vaters an sich sündhaft, brachte aber gute Frucht, da sie der Sohn mit seinem wunderbaren Glanze später gesühnt hat.

Inzwischen war in Schweden Regner gestorben, und seine

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Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_077.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)