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76 Zweites Buch.


entgegen treten, weil sie der Schreck über das unerwartete Gemetzel nicht minder lähmte als die Schlaftrunkenheit; dazu liess die Dunkelheit der Nacht nicht erkennen, ob man Freunde oder Feinde vor sich hatte.

In der Stille derselben Nacht hatte sich Hialto, der unter den Königsleuten dank seiner erprobten Tapferkeit eine hervorragende Stellung einnahm, auf dem Lande der Umarmung einer Buhlerin hingegeben. Als er nun den entstandenen Kampfeslärm mit staunendem Ohre aus der Ferne vernahm, da war die Tapferkeit in ihm stärker als die Wollust, und er wollte lieber in das todbringende Kampfesgewühl eilen, als den schmeichelnden Lockungen der Liebe nachgeben. Eine grosse Liebe zu seinem Könige muss diesen Lehnsmann getrieben haben: er hätte eine vollwichtige Entschuldigung für sein Fernbleiben gehabt, wenn er gesagt, er habe nichts von dem Vorgange gewusst, aber nein! nicht für die Wollust wollte er sein Leben erhalten, sondern der gewissen Gefahr preisgeben. Als er gehen wollte, fragte ihn die Buhlerin, wie alt wohl der Mann sein solle, dem sie sich ergeben würde, wenn sie ihn nicht mehr hätte. Hialto hiess sie näher treten, gleich als ob er ihr heimlich etwas sagen wollte, und empört darüber, dass sie einen Nachfolger in der Liebe für ihn suchte, schnitt er ihr, um sie zu entstellen, die Nase ab; mit einer hässlichen Wunde bestrafte er ihre geile Frage, denn er meinte, dass durch die Einbusse an der Schönheit die Lüsternheit des Sinnes etwas gedämpft werden würde. Darauf sagte er, in der beregten Sache lasse er ihr völlig freie Hand. Nun eilte er schnell nach der Stadt zurück, stürzte sich in die dichtesten Knäuel und streckte die feindlichen Reihen, Wunde um Wunde hauend, nieder. Als er dann an der Kammer des schlafenden Biarko vorüberkam, da hiess er ihn erwachen und rief ihm folgende mahnende Worte zu:

[59] 59Auf aus dem Schlafe, wacht auf! Ihr, die ihr als Freunde des Königs
Euch schon bewährt; auch ihr, die ihr schlicht in Verehrung ihm anhangt.
Edele! scheuchet den Schlaf, es entschwinde der tückische Schlummer,
Feurig erglühe der Mut in den wachen, die tapfere Rechte

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Jetzt wird führen zum Ruhm, jetzt führen zur Schande die feige.
Empfohlene Zitierweise:
Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_086.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)