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III. Amleth. 115

 Klugheit hinter dem Scheine von Einfalt und hülle über den tiefen Sinn seines Innern eine schlau ersonnene Decke; seine listige Verschlagenheit könne nicht besser entlarvt werden, als wenn man ihm in einem Verstecke eine schöne Frau zuführe, die ihn zum Liebesgenusse verlocke; denn der natürliche Sinn sei so jäh zur Liebe, dass man ihn künstlich nicht zurückdrängen könne; auch sei dieser Trieb zu stark, als dass er sich durch Besinnung hemmen liesse. Wenn er demnach seinen Stumpfsinn nur erheuchele, so werde er die dargebotene Gelegenheit ergreifen und sofort dem starken Lustgefühle gehorchen. Es wurden also Helfershelfer bestellt, die ihn in einen abgelegenen Teil des Waldes reiten und dort die Versuchung an ihn [89] 89heran treten lassen sollten. Unter diesen war zufällig auch ein Milchbruder des Amleth, in dessen Herzen die Erinnerung an die gemeinsame Erziehung noch nicht erloschen war. Das Andenken an das engverbundene Leben in der Vergangenheit galt ihm mehr, als der jetzt ihm gewordene Auftrag, und er begleitete den Amleth unter den bestellten Gefährten, nicht um ihm eine Falle zu stellen, sondern um ihn zu warnen; denn es war ihm ganz klar, dass es Amleth sehr schlimm ergehen würde, wenn er auch nur das kleinste Merkzeichen von Verstand verriet, namentlich aber, wenn er nachweislich sich dem Liebesgenusse hingab. Auch dem Amleth war das nicht unbekannt. Als er das Pferd besteigen sollte, setzte er sich mit Fleiss so, dass er dem Nacken des Tieres seinen Rücken zuwendete und mit dem Gesichte nach dem Schwanze zu gekehrt war. Den Schwanz begann er auch aufzuzäumen, als ob er mit diesem Körperteile den raschen Lauf des Rosses mässigen wollte. Durch diese vorbedachte Schlauheit vereitelte er den Plan seines Oheims und machte den Anschlag zu nichte. Es war ein Schauspiel zum Lachen, als das Ross ohne Zügel hinschoss, während der Reiter den Schwanz lenkte.

Als dem Amleth in dem Gebüsche ein Wolf in den Weg lief, und die Begleiter ihm weiss machen wollten, ein Füllen sei ihm begegnet, setzte er hinzu: leider wenige dieser Art dienten in der Herde des Fengo, indem er den Reichtum

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Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 115. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_125.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)