Seite:Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus 126.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
116 Drittes Buch.


des Oheims mit einer massvollen, aber feinen Verwünschung bedachte. Als sie sagten, er habe da ein kluges Wort gesprochen, da sagte er, auch er habe bewusst so geredet, damit es ja nicht aussehen sollte, als ginge er mit der Lüge um. Er wollte frei von aller Verstellung erscheinen, deshalb mischte er List und Offenherzigkeit so mit einander, dass seine Worte in gewissem Sinne Wahrheit enthielten, dass aber sein guter Verstand nicht durch ein Anzeichen der Wahrheit verraten wurde.

Als er am Strande vorbeikam, und seine Gefährten das gefundene Steuer eines gestrandeten Schiffes für ein grosses Messer erklärten, da sagte er: „Mit dem kann man einen grossen Schinken schneiden.“ Damit deutete er auf das Meer, mit dessen gewaltiger Ausdehnung das grosse Steuerruder im Einklang stünde. Als sie an den Dünen vorbeikamen, und er den Sand als Grieskörner ansehen sollte, da antwortete er, es sei Gries, von den weissschäumenden Stürmen des Meeres gemahlen. Als seine Gefährten die Antwort (zum Spasse) lobten, sagte er, es sei auch eine kluge Antwort. Damit er nun grösseren Mut bekomme, der Sinneslust zu frönen, gingen die Gefährten absichtlich etwas voraus, und nun trat ihm das von seinem Oheime angestellte Weib wie zufällig an einem düsteren Orte in den Weg, und er hätte sie sofort beschlafen, wenn ihm nicht sein Milchbruder durch geheimen Rat ohne Worte eine Andeutung von der ihm gestellten Falle gemacht hätte. Als er nämlich überlegte, [90] 90wie er wohl am besten unentdeckt den Warner spielen und die gefährliche Lüsternheit des Jünglings zügeln könne, da band er einer vorbeifliegenden Bremse einen Strohhalm, den er auf dem Boden fand, unter den Schwanz. Dann jagte er sie dahin, wo Amleth nach seiner Berechnung sein musste, und dadurch erwies er dem Unvorsichtigen eine grosse Wohlthat. Mit ebenso grosser Schlauheit wurde das Anzeichen gedeutet, als es übersandt war. Denn als Amleth die Bremse sah und den Strohhalm, den sie an ihrem Schwanze befestigt trug, genauer ins Auge fasste, da verstand er die versteckte Mahnung, vor Überlistung auf der Hut zu sein.

Empfohlene Zitierweise:
Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_126.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)