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282 Sechstes Buch.


Sinn des Jünglings war auf Wanderschaft in der Fremde gewesen, nicht erstorben; durch die Handreichung des Alten ans Licht geführt vollbrachte er ein spätes, aber um so schöneres Werk, er tauchte die Becher herrlicher in Blut als in Wein. Welch gewaltiger Mensch muss doch der Alte gewesen sein, dass er durch seine beredte Mahnung die grosse Verkehrtheit des Sinnes des Königs bezwang, das Schloss der Schlechtigkeit aufbrach und an ihrer Stelle die wirkungsvolle Saat der Tüchtigkeit einpflanzte! Er selbst folgte der Hand des Königs mit gleicher That und leistete nicht allein an sich vollendete Tapferkeit, sondern rief auch die zurück, die aus einer fremden Brust herausgerissen war. Darauf hub er also an:

[214] 214Heil, Ingell, Dir als König! nun hat ein mutvolles Wagnis
Dir ja gefördert die Brust. Dir herrschet im Körper Besinnung,
Kund jetzt gethan in dem ersten Beginn; nicht fehlte dem Herzen
Tiefer Verstand, ob schweigend Du auch bis zur Stunde geblieben.

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Denn was die Säumnis gefehlt, macht wett Deine tapfere Rechte,

Und die Erschlaffung des Sinns gleichst aus Du durch mächtige Bravheit.
Auf nun, lass schlagen uns alle und keiner entrinne dem Tode,
Denn ohn’ Unterschied alle sie haben verdienet das Ende.
Falle die That auf den Thäter zurück, und ihren Ersinner

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Drücke zu Boden die Schuld zur Vergeltung. Die Körper der Toten

Ladet, ihr Diener, auf Wagen und traget, ihr Schergen, die Leichen
Rasch aus dem Hause, sie solln nach Gebühr entbehren die letzten
Dienste; sie sind es nicht werth, dass ein Hügel sie decke; nicht spende
Trauergefolge, nicht Brand auch die heilige Ehre des Grabes.

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Werft sie aufs Feld zum Verfaulen, dort mag sie der Vogel zerfleischen,

Mögen sie mit der verpestenden Fäulnis die Felder beschmutzen.
Du aber, König, sei klug und meide die grause Gemahlin,
Dass nicht die Wölfin gebäre die Brut, die ihr gleichet, und aus Dir
Wachse ein böses Getier, das da schade dem eignen Erzeuger.

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Sag’, Rotho! die[1] Du verhöhnest den Feigen ohn’ Unterlass, meinst Du,

Dass wir den Frotho nun sattsam gerächt, da der Rache des einen
Sieben wir haben gebracht zu dem Tod? – Sieh dort sie getragen
Leblos, die mit der That niemals, nein! nur mit den Worten
Deinem Gebot sich gebeugt und stets auf Verrat nur gesonnen

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Mit ihrem Dienst. Doch mir ist stets jene Hoffnung geblieben,

Dass doch den edelen Vätern im Bilde muss gleichen der Nachwuchs,


  1. Nach Müller die Walküre Rota (Rosta), nach anderen der 24138 und 24212 erwähnte Wiking.
Empfohlene Zitierweise:
Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 282. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_292.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)