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VII. Hagbarth, Sygne. 311


Denn wenn so das Geschick mir fällt,
Darf ich nimmer auf Gnade baun,
Nie erbarmet Dein Vater sich:
[234] 234Er nimmt Rache für sein Geschlecht.
Schlug ich doch Deine Brüder beid’,
Schlug im Schiff ihrer Leute Schar;
Und jetzt ohne des Vaters Wort,

5
Als wenn nichts ich zuvor gethan,

Ganz entgegen dem Wunsche sein,
Halt ich fest Dich in meinem Arm.
Sag’ denn, einzig Geliebte, mir,
Was Dein Herze sich wünschen wird,

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Ruh’ ich nicht mehr zur Seite Dir.


 Sygne:
Mit Dir, Geliebter, bin zu sterben ich bereit,
     Wenn Dein böses Geschick reisset Dich fort von mir;
Nicht will mein Leben führen ich zu längrer Frist,

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     Wenn jetzt Todesgeschick schmerzlich ins Grab Dich senkt.

Nein, wenn zum letzten Male sich das Auge schliesst,
     Unter der Schergen Gewalt, wenn ihrer Wut Du erliegst,
Wie immer auch die Lebensluft genommen wird,
     Sei ’s Gifttrank, sei ’s Schwert, sei es zur See, auf dem Land,

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Ich bleibe frei von frevelhafter Lieb’, ich schwör’s,

     Und dem gleichen Geschick weihe mein Leben ich.
Die hier geführt der gleiche Wunsch zum Ehebund,
     Die soll gleicher Gestalt raffen der Tod dahin.
Nie will ich den verlassen, auch in Todes Not,

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     Den ich selbst mir erlas als meiner Liebe wert,

Der mir die ersten Küsse von den Lippen nahm
     Und den ersten Genuss raubte des zarten Leibs.
Gewiss hat kein Gelübde fürder grössre Kraft,
     Wenn das Wort einer Frau Treue noch in sich trägt.

Dieses Wort gab dem Mute Hagbarths eine so frische Kraft, dass er mehr Freude aus ihrer Verheissung entnahm, als er Gefahr bei seinem Scheiden beachtete. Er wurde von den Mägden verraten, verteidigte sich aber nachdrücklich gegen die Häscher des Sigar, die ihn überfielen und streckte viele von ihnen an der Thür nieder. Schliesslich wurde er ergriffen und vor die Volksversammlung geführt; hier gingen die Stimmen der Männer über ihn auseinander: die meisten erklärten sich dahin, dass er durch seine schwere Missethat

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Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 311. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_321.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)