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414 Neuntes Buch.


und suchte ohne Begleitung bei einem Bauer in der Nachbarschaft Unterkunft: die Liebe, dachte er, findet überall ihren Weg. Von Frauen entlieh er die Kleidung und half nun am Morgen in Frauenkleidung dem Liebchen beim Wollespinnen und legte listig mit Hand an bei der Frauenarbeit, von der er nichts verstand, um sich nicht zu verraten; bei Nacht aber fand er Erfüllung seines Wunsches in den Armen der Jungfrau. Als nun die Frucht reifte, und die Verletzung der Keuschheit sich an dem schwellenden Leibe des Mädchens zeigte, da bemühte sich der Vater, der ja nicht sicher war, wem sie sich hingegeben hatte, von ihr selbst den unbekannten Schwängerer zu erfahren. Als sie aber hartnäckig daran festhielt, dass niemand ausser ihrer Magd ihr Lager geteilt habe, da überwies er den Fall dem Könige zur Untersuchung. Der wollte die unschuldige Magd nicht unter der ungeheuerlichen Beschuldigung leiden lassen und war ehrlich genug, durch das Bekenntnis seines eigenen Vergehens die fremde Unschuld zu erweisen. Durch dieses anständige Eintreten mit seiner Person entzog er allem bösen Gerede der Weiber den Boden[1] und verhütete, dass ein lächerliches Gerücht noch weiter durch böswillige Ohren ging. Er erklärte, dass der zu erwartende Sohn sein Fleisch und Blut sei, und dass er wünsche, er solle Ubbo genannt werden. Als dieser etwas herangewachsen war, eignete er sich trotz seines jugendlichen Alters eine reife Unterscheidungsgabe an. Die Mutter nämlich umfasste er mit Liebe, weil sie mit einem vornehmen Manne sich eingelassen habe, den Vater aber wollte er nicht achten, weil er zu einer allzu niedrigen Verbindung herabgestiegen sei.

Darnach rüstete Regner zu einem Zuge gegen die Hellespontier, berief die Dänen zu einer Volksversammlung und versprach dem Volke heilsame Gesetze zu geben; dann erliess er den Befehl, wie früher ein jeder Vater den Sohn


  1. Die Konjektur Goldschmidts (Et par textrettelser til Saxo, Norsk Tidsskrift för Filologi, 3 r. 5, 185) nimmt irrtümlich calumnia gleich contumelia.
Empfohlene Zitierweise:
Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 414. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_424.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)