Seite:Ficker Entstehung Sachsenspiegel 116.jpg

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sei, sich nicht leicht erheben lassen. Was wir von den Wahlvorgängern wissen bestätigt, dass die Wahl von den sieben Fürsten entschieden wurde, nicht, weil sich zufällig nur diese betheiligten, sondern weil nur ihnen ein entscheidendes Gewicht von vornherein beigelegt wurde. Denn die Bischöfe von Speier und Worms waren ja Reichsfürsten und mit dem Erzbischöfe von Trier zu Frankfurt; aber nirgends finden wir ihre Stimmen in Rechnung gebracht.

Nach dem Gesagten und andern, von Phillips und Homeyer erörterten Punkten dürften drei Hauptentwicklungsstufen zu unterscheiden sein:

1. Bis 1198 als Ausgangspunkt der Entwicklung ein Vorrecht einzelner Fürsten, vor andern zu stimmen, wie es jede Rangordnung mit sich bringen musste, ohne dass uns, bis auf die erste Stimme von Mainz, Genaueres bekannt wäre, und ohne dass sich ein grösseres Gewicht der ersten Wahlstimmen erweisen liesse.

2. Seit 1198 Geltendmachen eines besonderen Gewichtes der ersten Wahlstimmen; mindestens bis 1252 ist ihre Bedeutung so gewachsen, dass die Anschauung, ohne die Anerkennung durch alle ersten Wähler sei der König nicht vollberechtigt, ausgesprochen und in gewisser Weise anerkannt wurde. Bis zum Schlusse dieser Entwicklungsstufe können wir alle spätern Kurfürsten als bevorzugte Wähler nachweisen; für die frühern Zeiten geben uns die bisher beachteten Quellen über Zahl und Personen derselben keine sichere Auskunft.

3. Mindestens seit 1256 tritt die geschlossene Siebenzahl der bevorzugten Wähler bei glaubwürdigen Schriftstellern, 1263 auch urkundlich hervor und wird als so feststehend betrachtet, dass von da ab sich wohl noch Streit über die Berechtigung dieses oder jenes Fürsten zur Führung einer der sieben Stimmen erhob, die Siebenzahl selbst aber nie in Frage gestellt erscheint. Zugleich finden wir 1256 die Anschauung völlig ausgebildet, dass nur diese Stimmen entscheidend seien; das Wahlrecht anderer Fürsten ist auf eine bedeutungslose Zustimmung oder eine Berücksichtigung bei Vorberathungen beschränkt, welche dann bald zur

völligen Ausschliessung von der Wahl ausgebildet erscheint; was

Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Über die Entstehungszeit des Sachsenspiegels und die Ableitung des Schwabenspiegels aus dem Deutschenspiegel. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1859, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Entstehung_Sachsenspiegel_116.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)