Haben wir uns die nächste Aufgabe dahin gestellt, zu untersuchen, 1
wer im zwölften und dreizehnten Jahrhunderte zu den Reichsfürsten
gehörte und wer nicht, so werden wir uns vor allem nach Kennzeichen
des Fürstenstandes umzusehen haben. Es liegt ohne Zweifel am nächsten,
uns an das Wort Fürst selbst zu halten, und demjenigen die
Fürstenwürde zuzusprechen, den wir in solchen Denkmalen jener Zeit,
in welchen eine schärfere Beachtung staatsrechtlicher Unterschiede zu
erwarten ist, als Fürsten bezeichnet finden. In den Rechtsbüchern und
den wenigen verwandten Ueberresten, bei deren Abfassung man sich
der deutschen Sprache bediente, finden wir den Ausdruck ausschliesslich
gebraucht, um den ersten Stand im Reiche, die dem Kaiser zunächst
Stehenden zu bezeichnen. Und weder die auf der Hand liegende sprachliche
Ableitung des Wortes, noch die Reste der älteren Litteratur
unseres Volkes begründen einen Zweifel, dass man sich jemals, wo es
galt, die Höchststehenden im Reiche in deutscher Sprache zu bezeichnen,
eines anderen Ausdruckes bediente.
Um aber den staatsrechtlichen Begriff des Wortes genauer zu erörtern, dürfen wir nicht das deutsche Wort[1] zum Ausgangspunkte nehmen; wir würden den Faden zu schnell verlieren. Denn selbst im dreizehnten Jahrhunderte bediente man sich in den Kanzleien nur in vereinzelten Fällen der Muttersprache; sind wir auf die aus ihnen hervorgegangenen Schriftstücke bei unserer Forschung zunächst angewiesen, so haben wir das damals entsprechende lateinische Wort zum Ausgangspunkt zu nehmen. Mag sich nun auch, selbst bei einer Beschränkung auf das staatsrechtliche Gebiet, das Wort Princeps nicht in jeder Anwendung genau mit dem deutschen Fürst decken, so kann es doch keinem Zweifel unterliegen, dass im dreizehnten Jahrhunderte der Princeps der Urkunden durchaus dem Fürsten der Rechtsbücher entspricht; werden die weitern
Untersuchungen das hinlänglich ergeben, so mag es vorläufig genügen,
- ↑ 1. Vgl. aber dieses: Graff Sprachsch. 3, 625, Müller und Zarncke Wörterb. 3, 378.
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_051.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)