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das auch zugleich die einzige sein, in welcher sie als Fürsten erscheinen; wir finden die von Hochstaden als Freie eben so bestimmt von den Fürsten getrennt, wie sie ihnen als Grafen zugezählt werden. Dass der Titel hier das entscheidende war, ist nicht zu bezweifeln; aber die erörterten Verhältnisse werden uns gewiss zu dem Schlusse berechtigen, dass, wenn der ältere Fürstenstand sich in dieser Weise abgränzte, seine staatsrechtliche Bedeutung unmöglich von grossem Gewichte gewesen sein kann.

Ergibt sich bei allen diesen Untersuchungen viel Widersprechendes, 62 Schwankendes und Ungenügendes, so wird zu bedenken sein, dass wir vorzüglich nur das zwölfte Jahrhundert ins Auge fassten, die letzten Zeiten des ältern Reichsfürstenstandes, und zwar nicht allein, weil gerade diese für die Erkenntniss der spätern Verhältnisse die wichtigsten sind, sondern auch desshalb, weil uns schon der Mangel genauerer Zeugnisse aus älterer Zeit dazu nöthigte. Nun hat sich aber der ältere Fürstenstand nicht erst im zwölften Jahrhunderte entwickelt; es steht nichts der Annahme im Wege, welche sich vielfach sogar erweisen lässt, dass er auch in früheren Jahrhunderten wesentlich auf denselben Grundlagen beruhte; und für frühere Zeiten werden uns diese allerdings weniger ungenügend und schwankend erscheinen. War bei Bischöfen und Aebten das Verhältniss der Reichsunmittelbarkeit das entscheidende, wie es auch später das entscheidende blieb, so mag das für jede Zeit als genügende Grundlage einer Bevorzugung vor andern geistlichen Grossen im Reiche erscheinen. War für die weltlichen Fürsten noch im zwölften Jahrhunderte der Amtstitel das entscheidende, so wird sich der Fürstenstand ursprünglich nach dem Amte abgegränzt haben; wir haben ihn als einen über den Geburtsstand der freien Herren hervorragenden Amtsadel zu fassen; ein Begriff, welcher auch in die Klasse der geistlichen Fürsten insoweit hinübergreift, als der Reichskanzler abgesehen von seiner höhern oder niedern geistlichen Würde diesen zugezählt wird. Die Frage, wann ein solcher Amtsadel entstanden sein möge, lässt sich eigentlich kaum aufwerfen; sobald überhaupt Reichsämter bestehen, wird damit auch eine bevorzugte Stellung derjenigen, welche sie bekleiden, gegeben sein; nur das Mass ihrer Befugnisse mag in verschiedenen Zeiten ein verschiedenes gewesen sein. Reicht demnach dieses ältere Amtsfürstenthum in seinen Grundlagen bis in die frühesten Zeiten des Reiches zurück, so konnte es sich auch nicht füglich auf die höchstgestellten Reichsbeamten, etwa auf Herzoge und Markgrafen beschränken; der Graf musste ihm nothwendig angehören, da er ja in früherer Zeit der einzige regelmässig vorkommende höhere Staatsbeamte war; selbst noch im zehnten Jahrhunderte finden sich Stellen, in welchen als Klassen der Principes nur die Episcopi, Abbates und Comites aufgeführt werden.[1] Ueber den Grafen erhoben sich nun

  1. Vgl. § 23.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_121.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)