allerdings die Herzoge; und hätten wir in dem Herzogthume etwa eine
vom Könige gesetzte, das ganze Reich umfassende, überall das Mittelglied
zwischen dem Grafen und dem Könige bildende Behörde zu sehen,
so wäre es erklärlich gewesen, wenn man sich daran gewöhnt hätte,
nur noch die Herzoge als Principes zu bezeichnen; aber weder die Art
der Entstehung des Herzogthums, noch der Umfang seiner, keineswegs
das ganze Reich umfassenden, Gewalt waren geeignet, eine solche
Anschauung herbeizuführen; auch über das zehnte Jahrhundert hinaus
werden wir es nicht auffallend finden, wenn man neben den Herzogen
auch alle Grafen als Principes regni von den Edelherren ohne Amt
unterschied. Im zwölften Jahrhunderte aber waren nun von dieser in
der ältesten Reichsverfassung wurzelnden Grundlage des Fürstenstandes
zum grossen Theil nur noch die Namen, nicht die Sache geblieben; seit
es Herzoge ohne Herzogthum gab, der Titel des väterlichen Amtes auf
ganze Reihen von Söhnen überging oder die jüngeren Söhne höherer
Reichsbeamten wenigstens den gräflichen Amtstitel in Anspruch nahmen,
Edelherren anfingen sich Grafen zu nennen, wenn sie auch nur etwa
mit Bruchtheilen alter Grafschaften aus zweiter oder dritter Hand belehnt
waren, ihnen vielleicht überhaupt keine Grafengewalt zustand, seit die
Reichskanzlei selbst oft nicht wusste, wie sie diesen und jenen benennen
sollte, konnten die blossen Titel doch nur eine sehr ungenügende Grundlage
abgeben, um staatsrechtliche Vorzüge an dieselben zu knüpfen;
man mochte immerhin noch einige Zeit an dem alten Gebrauche festhalten,
alle, welche Amtstitel führten, als Fürsten zu bezeichnen; aber
grosse Bedeutung konnte sich schwerlich noch mit dem Ausdrucke
verbinden; es ist erklärlich, wenn man gleichgültig wurde gegen die
bedeutungslose Schranke, welche den Grafen vom Edelherrn schied,
wenn sich dagegen allmählig der Begriff des neuern, enger abgegränzten,
auf andern Grundlagen beruhenden und mit den wichtigsten Vorrechten
ausgestatteten Fürstenstandes ausbildete.
63 Die schon früher angedeutete, jetzt näher zu begründende Annahme, dass gegen Ende des zwölften Jahrhunderts der Ausdruck Reichsfürst eine andere Bedeutung erhielt, dass sich ein von dem älteren vielfach verschiedener neuerer Reichsfürstenstand bildete, lässt sich durch kein unmittelbares Quellenzeugniss belegen; für langsam sich entwickelnde, nicht an eine einzelne Thatsache anknüpfende und demnach der Aufmerksamkeit der Zeitgenossen sich entziehende Aenderungen der Verfassung werden wir ein solches auch kaum erwarten dürfen. Dagegen wäre es leicht, eine Reihe von Zeugnissen aus dem dreizehnten Jahrhunderte zusammenzustellen, aus welchen sich wenigstens mittelbar ergäbe, dass inzwischen eine geänderte Abgränzung des Fürstenstandes eingetreten sein müsse. Ich wähle davon als vorläufigen
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_122.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)