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Nyffen u. s. w. [1] Dass dagegen ein Fürstabt, wenn er auch ausnahmsweise weltlichen Fürsten nachsteht, dennoch venerabilis genannt wird, zeigt sehr deutlich die Zeugenreihe einer Urkunde von 1308: Venerabiles H. Coloniensis, P. Moguntinensis et B. Trevirensis archiepiscopi et illustres R. et L. Palatini Rheni duces Bavarie, W. marchio Brandeburgensis, R. dux Saxoniae et venerabilis H. abbas Fuldensis principes nostri ac spectabilis vir B. comes de Henneberg noster fidelis. [2]

Auch aus andern Kanzleien lassen sich Beispiele für Beachtung des Unterschiedes beibringen; es werden z. B. 1281 einer Urkunde angehängt die Siegel venerabilis patris G. Brandenburgensis episcopi et honorabilis viri domini praepositi eccl. S. Marie Magdeburgensis[3]; 1320 schreibt der Bischof von Halberstadt venerabili domine G. abbatisse ac honorabilibus dominabus G. preposite, O. decane totique capitulo ecclesie secularis in Gherenrode.[4]

In einer Urkunde K. Adolfs von 1293 finden sich drei Klassen geistlicher Zeugen unterschieden; als venerabilis der Bischof von Basel; dann honorabiles viri der Hofprotonotar, der Domprobst und der Probst von S. Wido zu Speier; endlich religiosi viri die Aebte von Eberbach, Otterburg, Eussernthal, Neuenburg, Klingenmünster und der Probst von S. Martin zu Worms. [5] Das Prädikat religiosus, bei Erwähnung einzelner Prälaten oft gebraucht, steht demnach noch hinter honorabilis zurück, wie sich auch aus Vergleichung anderer Stellen näher begründen liesse, wenn unser Zweck es erheischte.

Bei einiger Vorsicht werden wir diese Prädikate zur Bestimmung des Standes immerhin benutzen dürfen. Werden in ein und derselben Urkunde Venerabiles und Honorabiles unterschieden, so werden wir auch ziemlich sicher jene zu den Fürsten, diese zu den Prälaten zählen dürfen; die in den genannten Stellen als Venerabiles bezeichneten Aebte von S. Gallen, Weissenburg und Fulda würden wir auch sonst als Fürsten erweisen können, dagegen keine der als Honorabiles aufgeführten Personen.

Bei Bezeichnung einzelner geistlicher Würdenträger scheint allerdings der Unterschied weniger scharf beachtet. Wir werden in diesem, wie in ähnlichen Fällen, davon ausgehen müssen und würden das vielfach belegen können, dass man wenig Bedenken trug, einer Person ein höheres, als das ihr zukommende Prädikat beizulegen, das umgekehrte dagegen zu vermeiden suchte. Wird ein Geistlicher dann und wann Venerabilis genannt, so werden wir ihn desshalb noch nicht für einen Fürsten halten; ist er aber häufig als Honorabilis oder Religiosus zu erweisen, so werden wir ihn mit ziemlicher Sicherheit zu den Prälaten zählen dürfen.

  1. Lünig 14, 474.
  2. Schöpflin A. D. 2, 87.
  3. Riedel 1, 152.
  4. Beckmann 3, 53.
  5. Lünig 14. 474.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_177.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)