Seite:Foerster Klassische Philologie der Gegenwart 08.jpg

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Da ist zunächst die Grammatik, welche einesteils sich in die Schule der Laut-Physiologie begeben hat und deren Lehren für ihre Zwecke nutzbar zu machen bemüht gewesen ist, andernteils dem Walten der Lautgesetze nachspürt, die Etymologie auf rein lautliche Normen gründet, ja in ihrer neuesten Richtung diesen Lautgesetzen die Unverbrüchlichkeit von Naturgesetzen zuschreiben und die Ausnahmen nur auf falsche Formübertragung oder mundartliche Besonderheit zurückführen will, durchweg aber gleichsam mit Loupe und Secirmesser arbeitet, nicht blos den Gebrauch eines Wörtchen, einer Struktur bei Einem Schriftsteller, sondern auch die ganze Geschichte derselben, ihr Aufkommen, Zu- und Abnehmen, Aufhören, Ersetzung durch andere mit statistischer Genauigkeit verfolgt und alle Phasen und Nuancen eines Bedeutungswechsels bloslegt.

Da ist die Metrik, welche den Bau der Verse bei den einzelnen Dichtern bis auf die Normen der Verbindung der Wörter zu Versfüssen, der Cäsur, und das Verhältnis von Wort- und Vers-Accent, die Verbindung der Verse zu Strophen, die Gesetze der strophischen Komposition und antistrophischen Responsion aufs sorgfältigste untersucht und die Bedingungen wahrer Symmetrie, das Wechsel-Verhältnis von Rhythmus und Stimmung, endlich auch das Wesen und die Erscheinungsformen des Rhythmus in Werken der Beredsamkeit zu ermitteln bemüht ist.

Da ist die Epigraphik, welche neben dem mechanischen Abdruck der Abschrift einer Inschrift nicht entraten zu können meint und in der getreuesten Wiedergabe einer Inschrift, wie beispielsweise in der letzten Ausgabe des Monumentum Ancyranum, wahre Triumphe feiert, welche aber auch in der Ergänzung von einzelnen Buchstaben wie ganzen Wörtern äussere Indicien wie die Beschaffenheit des Steins und die Abstände der Buchstaben nicht minder im Auge behält als den Inhalt und die Analogie anderer Denkmäler.

Und wie sie selbstverständlich auch die Form der Buchstaben historischer Untersuchung unterwirft und denjenigen,

Empfohlene Zitierweise:
Richard Foerster: Die Klassische Philologie der Gegenwart. Universitäts-Buchhandlung, Kiel 1886, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Foerster_Klassische_Philologie_der_Gegenwart_08.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)