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II.

Länger als zwei Jahrhunderte hindurch verpflichteten sich die deutschen Könige in ihren Wahlcapitulationen, die grossen Gesellschaften der Kaufleute wegen der merklichen Schäden, die sie dem Reiche und seinen Einwohnern zufügten, abzuschaffen. Ein Zeichen der Zähigkeit, mit der Rechtsurkunden ihren Inhalt festhalten, wenn auch das Verhältniss, das sie treffen wollen, längst aus dem Leben verschwunden ist. Denn das Versprechen wurde in den Jahren zuerst ertheilt, da man die mit den grossen Kaufmannsgesellschaften verbundenen Nachtheile zu den schwersten Uebeln der Zeit rechnete, sie mit den Indulgenzen Roms und den Räubereien der Ritterschaft[1] oder mit den Juden und ihrem Wucher und den Pfaffen und ihren Klöstern[2] zusammenstellte, und das Wort „Gesellschaft“ schon einen verdächtigen Sinn annahm[3], wie zu andern Zeiten das Wort „Gründung“. Nachdem der Satz einmal in die WC. Karls V. aufgenommen war, ist er bei jeder nachfolgenden Wahlverhandlung, zuletzt noch bei der des Jahres 1745 wiederholt und mit feierlichen Eiden bekräftigt worden.

Mit der populären Klage über die grossen Gesellschaften[4] hatte sich schon der Cölner Reichstag von 1512 beschäftigt, und einzelne Wendungen seines Abschieds klingen in der WC. von 1519 nach. Sie spricht auch gradezu aus, dass, weil die frühern Beschlüsse unausgeführt geblieben seien, dem Kaiser die Bekämpfung des Uebels erneut zur Pflicht gemacht werden müsse. Schon in dem ersten Entwurf einer WC. nimmt ein Artikel darauf Rücksicht; kurz und einfach gefasst, überlässt er dem Kaiser die Wahl, die Gesellschaften zu reformiren oder zu beseitigen[5]. Die definitive WC. vom 3. Juli 1519 formulirte den Thatbestand eingehender


  1. Ranke, deutsche Gesch. II 30.
  2. Sebast. Franck bei Roscher, Gesch. der Nationaloek. S. 94.
  3. Stellen aus Sebast. Franck bei Schmoller in der Zeitschr. f. d. gesammte Staatswiss. XVI (1860) S. 472, 473,497.
  4. Schmoller S. 487 ff.
  5. RTA. I Nr. 333 S. 769 art. 8: Item nachdem die grossen geselschaft der kaufgewerbe dem reiche mergliche Scheden fugen, dieselben zu reformiren oder gar abzustellen, wie dann hievor auch furgenommen, aber nit volnstreckt worden ist.
Empfohlene Zitierweise:
Ferdinand Frensdorff: Das Reich und die Hansestädte. Weimar: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung, Bd. 20 = 33 , 1899, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Frensdorff_Das_Reich_und_die_Hansest%C3%A4dte_127.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)