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Wahlbotschafter Baierns im Wahlconvent thätig gewesen war und als Wahlcommissar K. Karls VII. die WC. beschworen und unterzeichnet hatte, das Amt. Aber seiner Uebernahme stellten sich finanzielle Schwierigkeiten in den Weg.

Die Reichskanzlei, um ihrer öffentlich-rechtlichen Seite willen so häufig ein Gegenstand des Streits zwischen Wien und Mainz, wurde nicht minder um ihrer privatrechtlichen Vortheile willen eifersüchtig vom Kurerzkanzler gegen jede Einmischung des Kaisers überwacht[1]. Aus den Taxen und Sporteln[WS 1], die sie erhob, erwuchsen reiche Einnahmen. Der Reichserzkanzler, der die Reichskanzlei zu besetzen hatte, bestritt die Besoldung ihrer Beamten aus den Amtseinkünften und hatte immer noch einen jährlichen Ueberschuss, den man auf 100 000 Gulden berechnete[2]. An den reichen Erträgnissen hatten auch die Beamten Theil. Die Reichskanzleiverwandten befanden sich nach Mosers Ausspruch bei ihrer Besoldung aus den Taxgeldern und Sporteln so wohl, dass die Reichskanzler zuweilen Fürsten, die Secretaire Freiherren und die Cancellisten Edelleute werden[3]. Das galt nun auch von dem Posten des Reichsvicekanzlers[4]. Es hatte sich, wie es scheint, durch einen neuern Missbrauch eingebürgert, von dem neu Antretenden eine Zahlung an den Reichskanzler zu fordern[5]. Wurde das Amt titulo oneroso[WS 2] erworben, so musste dem Erwerber der Genuss des Amts auch für eine längere Zeit gesichert sein. Es erlosch nicht mit dem Tode des Kaisers, wenn es auch während des Interregnums in Folge der eintretenden Vicariatsregierung ruhen musste. Wer das Amt vor seinem Ende abgeben musste, liess sich von dem neuen Erwerber eine Entschädigungssumme zahlen. So hatte Graf Colloredo, als der Graf v. Metsch Alters halber einen Adjuncten in seiner Person erhielt, ihm eine Zahlung geleistet[6]; ebenso verlangte jetzt


  1. Seeliger S. 171.
  2. Häberlin, Staatsrecht I 446. O. Mejer, Einleitung in d. deutsche Staatsr. (1884) S. 84.
  3. V. röm. Kaiser S. 518.
  4. Kretschmayr S. 446 berechnet den Jahresgehalt auf 20-30000 fl. Seeliger S. 165 u. 170 und Kretschmayr bezeichnen übrigens selbst die finanziellen Verhältnisse der Reichskanzlei als noch nicht genügend erforscht.
  5. Seeliger S. 165.
  6. Moser S. 437, wo es als „etwas besonderes und bedenkliches“ bezeichnet ist. Seeliger S. 163. Kretschmayr 8.457.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. ursprünglich das Entgelt, das Untertanen für gerichtliche Handlungen oder sonstige Amtshandlungen zu entrichten hatten, siehe den entsprechenden Wikipedia-Artikel Sporteln
  2. lästiger Weise oder mit übernommener Beschwerde
Empfohlene Zitierweise:
Ferdinand Frensdorff: Das Reich und die Hansestädte. Weimar: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung, Bd. 20 = 33 , 1899, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Frensdorff_Das_Reich_und_die_Hansest%C3%A4dte_154.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)