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Das mir gebot min mütterlin,

Das Ich nyeman solt lossen in.
Du bist ein wolff, das sihe ich wol,
Wann du bist aller schalkheit vol.
Ach herrgott, wie viel der ist

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Uff erden, die denselben list

Erzöigent mit susses honiges wort,
Und ist schande, schade und mort
In ir hertze alle begraben etc.

Unter die Fabeldichter, die gegen das vierzehnte Jahrhundert gelebet haben, zählen wir auch den Hugo von Trymberg, einen Schulmann zu Babenberg. Er hat ein moralisches Buch in Versen geschrieben, welches er den Renner nennet, und von welchem er saget:

In Schwaben, in Döringen und Franken,
Da sollen teutsche Leute mir danken,
Das ich viel fremder Lere in han
In Teutscher Zungen kundt gethan,
Die manch jar vor und dan noch heuer
In Teutscher Sprache waren deuwer.

In diesem Buche sind verschiedene, theils äsopische, theils andere Fabeln enthalten; und wer weis, ob nicht einige darunter von seiner eigenen Erfindung sind. Man kann von seiner Schreibart mit keiner Zuverläßigkeit urtheilen, weil derjenige, der ihn 1549 zu Frankfurt am Mayn in Folio herausgegeben hat, so besorgt gewesen ist, und die schwäbische Mundart des Trymbergs nach der Sprache des sechzehnten Jahrhunderts verbessert, oder deutlicher zu reden, verderbet hat. Wer Exempel von dieser unzeitigen Sorgfalt sehen will, darf nur den Morhof, von der deutschen Sprache und Poesie, auf der 352. S.

Empfohlene Zitierweise:
Christian Fürchtegott Gellert: Fabeln und Erzählungen. M. G. Weidmanns Erben und Reich und Caspar Fritsch, Leipzig 1769, Seite XXV. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gellert_Schriften_1_A_026.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)