Seite:Gellert Schriften 1 A 030.jpg

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Der war mit gülden Buckeln beschlagen
Auff seinem Rücken thet es tragen

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Ein blancken Sattel schön gezierd,

Ein Roßdecken mit Gold durchschniert
Es riß den Zügel bald entzwey
Und lieff hinweg mit grossem Geschrey,
Da kam ein Esel on gefehr

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Mit seiner Last langsam daher,

Das Pferd fraß das Gebiß mit schaum
Gab zorniglich und sprach, gib raum
Wer hat dich solche mores[WS 1] gelert
Daß du nicht weichst eim solchen Pferdt?

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Geh weg, gib raum, oder wil dich schlagen

Das dich jr sechs von hinnen tragen.
Der Esel erschrack von dem schnurren
Gab raum und durfft auch nit einst murren.
Das Pferd lieff was es leibes mocht

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Zu letst sichs on gefehr verrücht

Der wardt sein Herr von stundt gewar
Nam jm die schöne Rüstung gar
Verkauffts dem Fuhrmann in den Karren
Der wolt damit hinweg fahren,

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Das sahe der Esel lieff baldt zu

Sprach, grüß dich freundt, wie siehest nu?
Wo ist das Gülden und Seiden zier
Der sehe ich jetzund keines an dir?
So lieber Freundt, so gehts auf Erden

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So muß hoffart gestraffet werden.


          Von einer Frauwen,
     die ihren sterbenden Mann beweinet.

Es war einmal ein junges Weib
     Gar wohl gethan und schön von Leib,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. mores: lat. „Sitten“
Empfohlene Zitierweise:
Christian Fürchtegott Gellert: Fabeln und Erzählungen. M. G. Weidmanns Erben und Reich und Caspar Fritsch, Leipzig 1769, Seite XXIX. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gellert_Schriften_1_A_030.jpg&oldid=- (Version vom 26.2.2023)