Seite:Gellert Schriften 1 A 039.jpg

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Wiederhall oder Echo erfunden worden, indem einer gerufen:

A R O,

hat der Wiederruff geantwortet:

O R A.

Es haben sich aber nicht wenig gefunden, so diese Arzeney nicht gebrauchen, und lieber in der Faulsucht ihr Leben enden, daß sie theils ein Hauffen Kleide angethan, bevor sie erkranckt.


Tugend und Laster.

Es wohnten in einem Hause vier fromme Weibspersonen, welche sich zu gleicher Zeit schwanger, und sehr übel befanden. Als nun die Geburtsstunde herbey kame, brachten sie auf einen Tag vier sehr abscheulige Kinder, nemlich zween Söhne und zwo Töchter auf die Welt. Die Wahrheit, welches die älteste und schönste unter besagten Frauen ware, gebore den Haß, ein ungestaltes Kind mit schehlen Augen und spitzigen Klauen. Die Glückseligkeit, ein junges und freches Weib, brachte an das Licht den Stoltz, eine Mißgeburt mit zween Köpfen, einem Leib und Schwanz gleich einer abscheulichen Schlangen, mit Basilißken Flügeln, etc. Die Sicherheit gebore eine Tochter, die nennte sie die Gefahr, die wollte klettern wie eine Katz, und hatte doch keine Klauen sich anzuhalten. Viertens erledigte sich die Vertreulichkeit einer Tochter, die nennte man die Verachtung. Wie nun die Eltern gute Freundschaft flogen, also wollten sie solche bey ihren Kindern erblich machen, und heyrathet der Herr Haß, die Fräulein Gefahr, und der Herr Stoltz, das Fräulein Verachtung.

Empfohlene Zitierweise:
Christian Fürchtegott Gellert: Fabeln und Erzählungen. M. G. Weidmanns Erben und Reich und Caspar Fritsch, Leipzig 1769, Seite XXXVIII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gellert_Schriften_1_A_039.jpg&oldid=- (Version vom 21.11.2023)