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»Ich kam als ein Knab von achthalb Jahren das erstemal in die Schule. Es ist wahr, wir mussten unaufhörlich beichten und dem äusserlichen Gottesdienste beiwohnen und vorzüglich die Andachten zu ihren (der Jesuiten) Heiligen verrichten. Aber dies war auch alles: Sie wollten sich auf diese Art, nicht durch Gründe, sondern durch den äusserlichen Glanz, durch Gewohnheit und Fertigkeiten des jungen Kopfes so sehr bemeistern, dass er dereinst bei reiferen Jahren gar kein Bedürfnis nach höheren Gründen haben sollte. Unser einziger Unterricht war jeden Freitag, wo wir ein Stück aus unserm Canisius auswendig daherplappern mussten.[1] Wenn gegen Ende des Jahres die Prämien verteilt wurden, so ward eine dergleichen Belohnung auch demjenigen zugedacht, welcher bei der vorgenommenen Prüfung die besten Beweise seines Unterrichtes im Christentum gegeben hatte. Und nun höre die Welt diese Beweise und sie sage, ob ich unrecht habe? — Wir mussten der Reihe nach, meistens nach alphabetischer Ordnung, an der Tür des Zimmers, in welchem sich drei von unseren Glaubens-Richtern versammelt hatten, warten, der erste nach gegebenem Zeichen eintreten und nicht eine Glaubensfrage, sondern ein Rätsel aus dem Canisius auflösen, z. B. wir sollten das Vaterunser rückwärts ohne Anstand auswendig hersagen. Wir sollten sagen, wie oft et, in oder cum in dem ersten Hauptstück stehen, oder es wurden uns zwei oder drei Worte aufgegeben, wo wir sogleich fortfahren mussten und dies so oft, als diese Worte in diesem Hauptstücke enthalten waren. Wenn einer nach dem andern diese Fragen vor diesem geheimen Religionsgericht beantwortet hatte, so kam der Präfekt an die Türe und verlas die

  1. Die Studienordnung der Gesellschaft Jesu von 1599 schrieb den Professoren der niederen Klassen vor: »Die Jünglinge, die man der Gesellschaft Jesu zur Erziehung anvertraut hat, unterrichte der Lehrer so, dass sie zugleich mit den Wissenschaften besonders die eines Christen würdigen Sitten gewinnen. Er wache darüber, dass alle der Messe und Predigt beiwohnen; und zwar der Messe täglich, der Predigt aber an den Festtagen.... Der christliche Unterricht soll besonders in den Klassen der Grammatik und, wenn nötig, auch in andern Freitags und Sonnabends auswendig gelernt und hergesagt werden.... Er halte auch Freitags oder Sonnabends eine halbstündige fromme Exhorte oder Erklärung des Katechismus; er dringe vorzüglich auf tägliches Gebet, besonders auch zur täglichen Abbetung des Rosenkranzes oder der Tagzeiten Mariä. ... Er empfehle sehr die geistige Lesung, besonders aus dem Leben der Heiligen, er bemühe sich, dass niemand die monatliche Beichte unterlasse.« Pachtler I. c. II, 379—381.
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Leopold Engel: Geschichte des Illuminaten-Ordens. Berlin: Hugo Bermühler Verlag, 1906, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Illuminaten-Ordens_(Engel)_023.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)