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selbst anspornen müssen; keine Widerwärtigkeiten, keine Gefahr achten; keine innere Abneigung oder Lauligkeit überhand nehmen lassen; und dies alles bloss darum, weil es zu Nutzen und Frommen der herzlich geliebten Nebenmenschen gehört, ihrer, die nach einerlei Bilde mit uns geschaffen sind; O! Wo ist der Mensch, der dies thut? Wenn er nicht mehr ist, wo ist seine Bildsäule? Wo ist sein marmornes Bruchstück? Sagt mirs, dass ich hingehe, den kalten Stein in die Arme schliesse und des Urbilds eingedenk mit heissen Thränen der Dankbarkeit das Bild benetze.« –


Nun frage ich, ist diese Stelle, welche ich in der Folge, so oft mir der Mut sinken wollte, noch öfterer las, nicht erhaben und fähig Begeisterung zu erwerben? Wer, wenn er den Sinn dieser Stelle, gleich mir, lebhaft empfindet, muss nicht den Wunsch äussern, dass er im Stande sein möchte, diesen hohen Grad von Verdienst zu erwecken? Dieses grösste hier aufgestellte Ideal, so viel an ihm liegt, zur Wirklichkeit zu bringen; ich frage, ist es gefährlich oder schändlich diesen Wunsch zu äussern, zu diesem Ende seine Kräfte anzustrengen? Ist es besser dabei kalt, gleichgültig, unthätig zu bleiben? Ist es möglich, wenn man diesen höchsten Grad von Verdienst kennt und dafür entbrennt, für niedere und schändliche Absichten thätig zu werden, die Sitten zu verderben, die Jugend zu verführen, die öffentliche Ruhe zu stören und Unterthanen gegen ihre Fürsten zu waffnen und zu empören? Ist der Mann, dessen Ehrgeiz für diese Art von Verdienst entflammt wird, der dazu nach seinen Kräften und Einsichten Anschläge und Entwürfe macht, ein Heuchler und Betrüger? Kann man leugnen, dass alle Grade und Einrichtungen, welche von dem Illuminatenorden bekannt geworden sind, dass selbst meine Briefe, welche so sehr gegen mich beweisen sollen, dahin abzwecken, um diese Idee zu realisiren? Kann der Ehrgeiz eines Menschen eine wohlthätigere und gemeinnützigere Richtung erhalten? –

Meine Leser mögen hierüber denken was ihnen gefällt, sie mögen bei einer solchen Stelle viel oder wenig empfinden, bei mir wenigstens ist der Fall ganz verschieden. Ich lese nie, ohne die Anwendung zu machen, ohne dass in meiner Seele entsprechende lebhafte Begierden und Entschlüsse entstehen. Genug! von dieser Stunde an, als ich diese Stelle las, war mein Entschluss

Empfohlene Zitierweise:
Leopold Engel: Geschichte des Illuminaten-Ordens. Berlin: Hugo Bermühler Verlag, 1906, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Illuminaten-Ordens_(Engel)_066.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)