Seite:Glueckel 022.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

wieder herausgegangen. Seine Kinder, sowohl Söhne als Töchter, hat er lernen lassen himmlische und weltliche Dinge. Ich bin in Hamburg geboren, aber wie ich gehört habe – von meinen lieben Eltern und auch von anderen – bin ich keine drei Jahre alt gewesen, als alle Juden von Hamburg vertrieben worden sind. Alle mußten nach Altona ziehen, welches Seiner Majestät dem König von Dänemark gehört und wo alle Juden gutes Auskommen haben. Das Altona ist kaum eine Viertelstunde von Hamburg.

In Altona haben etliche Familienväter gewohnt, ungefähr fünfundzwanzig Haushaltungen, und dort haben wir Bethaus und Friedhof gehabt. Also haben wir eine Zeitlang in Altona gewohnt. Und endlich ist in Hamburg erreicht worden, daß man den Juden in Altona hat Pässe gegeben, daß sie in die Stadt gehen durften und Handel treiben. Ein jeder Paß hat gehalten auf vier Wochen. Denselben hat man von dem regierenden Bürgermeister von Hamburg bekommen und er hat einen Dukaten gekostet. Und wenn der Paß aus gewesen ist, hat man wieder einen neuen nehmen müssen. Aber aus den vier Wochen sind oft acht Wochen geworden, wenn Leute gute Bekanntschaft mit dem Bürgermeister und der Polizei gehabt haben. Es ist den Leuten nebbich gar schwer gefallen, denn sie haben ihren Handel als müssen in dem Ort Hamburg suchen. Besonders sind nebbich manche Arme und Elende gewesen, die sich oft gewagt haben, ohne Paß in die Stadt zu schleichen. Wenn sie dann von der Polizei ertappt worden sind, hat man sie ins Gefängnis gelegt. Das hat dann viel Geld gekostet und Nöten gemacht, bis man sie wieder freigekriegt hat.

Ganz frühmorgens, sobald sie nebbich aus dem Bethaus gekommen sind, sind sie in die Stadt gegangen und gegen Nacht, wenn man das Tor zumachen wollte, sind sie wieder nach Altona gegangen. Und wenn sie nebbich fortgegangen waren, war ihr Leben oft nicht sicher vor Bosheit von bösen Leuten und Lumpengesindel, so daß jede Frau nebbich Gott gedankt hat, wenn sie ihren Mann wieder in Frieden bei sich gehabt hat.

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_022.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)