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Abraham und mein Schwager Reb Lipmann und mein Schwager Reb Loeb ins Konsilium gesetzt und der Lehrer von Hannover, welcher auch ein großer Schriftgelehrter gewesen, die haben studiert, ob man den Feiertag damit verletzen darf, daß man Geld gibt. Also haben sie zusammen zugestimmt, man soll ihnen das Geld geben, denn sie haben gesagt, es ist in der Stunde der Gefahr, geradezu Lebensgefahr.

Also haben wir unser lieb Kind müssen am heiligen Feiertag von uns schicken und uns überreden und einbilden lassen müssen, als ob das Kind, Gott behüte, etwas an sich hätte.

Ich will derentwegen jeden frommen Vater und Mutter judizieren lassen, wie uns zumute gewesen ist.

Mein Mann – das Andenken des Gerechten zum Segen – hat sich in einen Winkel gestellt und geweint und gebetet und ich in einen anderen Winkel. Sicher ist es nur das Verdienst von meinem frommen Mann – er ruhe in Frieden – gewesen, daß Gott – er sei gelobt – ihn erhört hat. Wie geschrieben steht: »Und er wurde erhört.« Ich halte nicht dafür, daß es unserem Stammvater Abraham bei der Opferung weher gewesen ist, als es uns diesmal war. Denn unser Stammvater Abraham hat es getan »auf Befehl Gottes und aus Liebe zu ihm«, also hat er seinen Kummer in Freudigkeit verbracht. Aber uns ist der Kummer von Fremden zugekommen, was uns gar sehr zu Herzen gegangen ist. Nun, was soll man tun? Man muß sich in allem gedulden. »So wie man Gott preist für Gutes, so muß man ihn auch preisen für Böses.«

Ich hab meiner Magd die Kleider umgewendet angetan und dem Kind sein Gezeug in ein Bündelchen gebunden und der Magd ein Bündel gleich einer Bettlerin aufgebunden. Dem Kinde nebbich auch alte, zerrissene Lappen angetan und so sind meine gute Magd und mein liebes Kind und der alte Mann und die Frau nach dem Dorf hinwegmarschiert.

Man kann sich wohl denken, welchen Priestersegen wir dem lieben Kind nachgesagt haben und mit wieviel hundert Tränen wir es von uns geschickt haben. Das Kind

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_082.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)