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Wir sind noch bis gegen Anfang des Monates Cheschwan in Hannover geblieben. Danach sind wir mit unseren Kinderchen und der Magd nach Hameln gezogen und haben uns vorgenommen, in Hameln nur zu bleiben, bis es in Hamburg wieder in gutem Zustand werde.

Nun haben wir denn keine geruhte Stunde gehabt, denn wir sind in großen Geschäften gesteckt. Wir haben in Polen einen gehabt, der hat grün Moses geheißen. Von dem haben wir Briefe gehabt, daß er mehr als sechshundert Lot Unzenperlen beieinander gehabt hat, und derselbige ist damit nach Hamburg gekommen und hat an meinen Mann – das Andenken des Gerechten zum Segen – geschrieben, daß er so eine Partie Perlen mitgebracht hat. Mein Mann – das Andenken des Gerechten zum Segen – soll nichts anderes tun, als bald nach Hamburg kommen. Aber mein Mann – das Andenken des Gerechten zum Segen – ist nicht gleich hingezogen, er ist noch ungefähr vierzehn Tage in Hameln geblieben, denn es ist in Hamburg gar schlecht gestanden. Mein Schwiegervater und meine Schwiegermutter haben nicht leiden wollen, daß mein Mann – das Andenken des Gerechten zum Segen – sich in Gefahr begeben soll und nach Hamburg ziehen. Sie haben sogar nicht leiden wollen, daß wir einen Brief annehmen sollten. Wenn wir ja einen Brief bekommen haben, hat man ihn zwei-, dreimal beräuchern müssen. Und wenn wir ihn kaum gelesen haben, hat man ihn in das Wasser, die Leine geheißen, geworfen.

Einmal sitzen wir so beieinander und schwätzen, kommt grün Moses in die Stube zu gehen. Es ist im kalten Winter gewesen und er hat eine Kapuze über den Kopf gezogen gehabt. Wir haben ihn stracks erkannt und gewunken, er soll hinausgehen, denn es ist keiner in der Stube gewesen, der ihn gesehen hat, als wir. Wenn mein Schwiegervater und meine Schwiegermutter gewußt hätten, daß einer von Hamburg zu uns gekommen wäre, so hätten sie uns mit ihm hinweggejagt.

Wirklich ist es eine große Gefahr vor der Behörde gewesen, fast war es eine Lebenssache, wenn man einen von Hamburg bei sich aufgenommen hat.

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_090.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)